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Der Altstadttunnel  - Wie der sture Tunnelblick vernünftige Lösungen verhindert
Der Versuch eines Überblicks

 

Hintergründe / Historie 

Am Fastnachtswochenende 1999 überraschte die Stadtverwaltung Leonberg die Bürgerschaft mit einer vermeintlichen optimalen Lösung der Leonberger Verkehrsprobleme. Das Ei des Kolumbus schien gefunden: In einer Machbarkeitsstudie wurde den Bürgern in großer Aufmachung im Amtsblatt die so genannte Nordwest-Tangente vorgestellt. Darin wurde von einem Gutachter vorgeschlagen, vom Ortsausgang in Richtung Ditzingen ein Tunnel ins Glemstal zu bauen und dann eine Tangente entlang der Glems am Bahnhof vorbei bis zum künftigen Westanschluss zu führen. Ziel der Maßnahme: Entlastung der Innenstadt, im wesentlichen des Straßenzugs Feuerbacher Straße - Grabenstraße - Eltinger Straße. Danach entbrannte in Leonberg eine heftige Diskussion über das künftige Verkehrskonzept. 

Im Jahre 2000 fand eine umfassende Bürgerbeteiligung zum sogenannten Verkehrsentwicklungsplan statt. Die Verwaltung und der damalige Gutachter gingen trotz heftigster Proteste aus der Bürgerschaft mit dem Vorschlag der Nordwest-Tangente in diese Bürgerbeteiligung. Mit hohem Engagement haben zahlreiche Bürger Vorschläge zur Verbesserung der Leonberger Verkehrsprobleme erarbeitet. Die Nordwest-Tangente wurde dabei einhellig von den Bürgern aus guten Gründen als Lösung verworfen. Die Bürger erarbeiteten Alternativvorschläge. Diese gingen dann zwar in die Gemeinderatsdiskussion ein, der Gemeinderat konnte sich jedoch nicht dazu durchringen, die Vorschläge der Bürger ernsthaft weiter zu verfolgen. 

Danach kehrte eine Zeit lang Ruhe in der Verkehrsdiskussion ein. Hinter den Kulissen wurde aber in der Verwaltung fleißig am 'Come-back' der Nordwest-Tangente gearbeitet. Ein neuer Gutachter musste her. Die Fortschreibung des Flächennutzungplans war die neue Chance, die Pläne umzusetzen. Dazu wurde eine Verkehrskonzeption erstellt und im Herbst 2005 vorgestellt. Allerdings wählte man aus taktischen Gründen zunächst einen 'Umweg'. Das Kind bekam zunächst einen neuen Namen: Es hieß von nun an Altstadttunnel. Es wurden zunächst mehrere Tunnelvarianten mit unterschiedlichen 'Ausgängen' untersucht. Heraus kam dann ein sogenannter Korridor, der von der Kreuzung 'Rutesheimer  Straße / Bahnhofstraße ('Bendel'-Kreuzung') bis hinunter zur Clausenmühle reichte. Diese Variante wurde in den Flächennutzungsplan aufgenommen. Als dann im Jahre 2007 die Firma Wüstenrot ihren endgültigen Rückzug aus Leonberg bekannt gab, kam die Stadt unter planerischen Zugzwang. Die Neugestaltung der Innenstadt wurde zu Thema. Um das neu zu planende Stadtviertel für Investoren attraktiv zu machen, musste der Verkehr in der Innenstadt unbedingt reduziert werden. Dies war eine willkommene Gelegenheit, Nägel mit Köpfen zu machen und die alten Pläne endgültig wieder aus der Schublade zu holen. Der Korridor sollte aufgegeben und nur noch der sogenannte westliche Altstadttunnel weiterverfolgt werden. Einziger Unterschied gegenüber der früheren Nordwest-Tangente: Die direkte Verbindung zwischen der Gebersheimer Straße und dem künftigen Westanschluss entlang der Bahnlinie wurde aufgegeben. Begründung: Diese Verbindung würde zu sehr zusätzlichen ortsfremden Verkehr, u.a. auch von der Autobahn anziehen. 

Diese Lösung wurde am 19.7.2007 dem Planungsausschuss des Gemeinderats als Vorschlag zur Entscheidung vorgelegt. Die Verwaltung bekam keine Mehrheit. Danach wurde mit Hochdruck hinter den Kulissen an einem Kompromissvorschlag gearbeitet. Heraus kam ein 'Doppelbeschluss' auf der Basis eines Antrags der SPD-Fraktion. Einerseits stimmte der Gemeinderat zu, den Altstadttunnel als Option für die Zukunft vorzusehen andererseits wurde beschlossen, ein Maßnahmenkonzept zu erarbeiten, um die Verkehrssituation auch ohne Tunnel zu verbessern. In der Begründung des SPD-Antrags wurde auch explizit als Ziel genannt, den Tunnel 'obsolet zu machen'.    

Was plant die Stadt aktuell?

Der aktuellste Planungsstand ist in der Drucksache vom Mai 2008 beschrieben. Sie wurde im Planungsausschuss am 8.5.2008 beraten. Dazu ein Bericht. Die Pläne für das Westportal mit dem dortigen Kreisverkehr sind hier beschrieben.

Warum ist der Altstadttunel eine schlechte Lösung für Leonberg?

  • Er bringt insgesamt keine Entlastung sondern nur eine Umverteilung des Verkehrs im Stadtgebiet von Leonberg - ein Geschäftsviertel soll auf  Kosten von reinen Wohngebieten entlastet werden.  

  • Er belastet dadurch mehrere bereits hoch belastete Wohngebiete (Bahn und Straße) noch stärker als heute - Schadstoff- und Lärmgrenzwerte werden dort bereits heute überschritten (siehe Bericht der LUBW,  Zusammenfassung für die Gemeinderäte und Pressemeldung dazu)

  • Er zieht zusätzlichen überörtlichen Verkehr an: als potentielle Autobahnumfahrung und als nördliche 'Umgehungsstraße' aus Richtung Rutesheim

  • Er führt durch den Tangenteneffekt zu längeren Fahrten und damit insgesamt zu höherer Belastung der Gesamtstadt

  • Er macht den einzigen S-Bahn- nahen Stadtteil der Kernstadt unattraktiv und erhöht dadurch den Individualverkehr 

  • Er ist durch die hohen Investitionskosten und die jährlichen Betriebskosten für Leonberg unfinanzierbar (siehe Forumskommentar zur Haushaltsituation)

  • Er zerstört das Naturkleinod Glemstal unterhalb des Pomeranzengartens (Grünzäsur im Regionalplan)

  • Er zerstört die traditionsreiche Clausenmühle und damit ein Stück des alten Leonberg

  • Für die Fortführung des Verkehrs an der Mühlstraße/Bahnhof entlang gibt es bisher keine vernünftige Lösung - die Straße ist viel zu schmal und der dortige Schulweg der Grundschulkinder wird noch gefährlicher

  • Die zugrunde liegenden Verkehrsdaten sind veraltet und widersprüchlich - insbesondere das hohe prognostizierte Wachstum findet nicht statt (siehe dazu Artikel in der Leonberger Rundschau)

Welche Alternativen gibt es?

Leider hat sich die Stadt Leonberg aufgrund früherer schlechter Entscheidungen inzwischen in eine verkehrsplanerische Sackgasse manövriert. Durch die Lage an zwei der mit am meisten befahrenen Autobahnen in Baden-Württemberg ist der Verkehrsdruck von außen enorm. Der neue Engelbergtunnel hat zwar den unmittelbaren Autoahnanliegern im Ramtel Entlastung gebracht, nicht aber im Rest der Stadt. Insbesondere die Schadstoffe werden immer noch ins Stadtgebiet emittiert. Eine wesentlich stärkere Entlastung durch den stadtferneren Winterraintunnel wurde versäumt. Die Nutzung des alten Engelbergtunnels als zwar nicht ideale, aber preisgünstige und schnelle Lösung wurde durch Lobby-Interessen verhindert. Der nun groß ausgebaute Westanschluss wird entgegen der Behauptungen der Verkehrsplaner nur die Verkehrsströme in der Stadt verändern, aber insgesamt keine Entlastung bringen - im Gegenteil, was immer bestritten wurde, wird jetzt durchgezogen: Der Westanschluss wird Endpunkt eine gut ausgebauten Autobahnquerspange von der A 81 bei Böblingen zur A8 und damit zu einem weiteren neuen Verkehrsknoten in unmittelbarer Nähe des Stadtgebiets und in der Hauptwindrichtung. Umgehungslösungen wären nur bei einem kleineren Westanschluss bzw. einem Halbanschluss (so wie es wir vorgeschlagen haben) eine gute Alternative gewesen. Nun bergen sie natürlich immer die Gefahr, dass Autobahnverkehr darauf ausweicht. Trotzdem sind sie nach wie vor in die weiteren Überlegungen einzubeziehen, wenn auch sehr behutsam. Denn entgegen der Behauptungen der Planer hat der Durchgangsverkehr in Leonberg doch einen gewichtigen Anteil am Gesamtverkehr. Der vermeintlich geringe Anteil von ca. 15% kommt nur dadurch zustande, weil immer die Gesamtstadt als Bezugsgröße verwendet wird. Würden die Kernstadt und die abgeschlossenen Teilorte separat betrachtet, wäre der Anteil wesentlich höher.  

Im Grunde genommen hat Leonberg -schon aus finanziellen Gründen- aber nur noch die Möglichkeit, im Sinne eines guten und umfassenden  Mobilitätskonzepts zu versuchen, den Individualverkehr möglichst weitgehend zu reduzieren. Alle Konzepte, die dieses Ziel nicht vorsehen oder die gar dazu führen, dass der Individualverkehr noch weiter zunimmt, sind unverantwortlich. Die Bürgerbeteiligung Verkehrsentwicklungsplan hat jede Menge Vorschläge gemacht, ebenso der Arbeitskreis Immissionen der Lokalen Agenda (siehe z.B. Stellungnahmen zum Luftreinhalteplan). Diese Maßnahmen sollten endlich umgesetzt werden. Auch später sind immer wieder Vorschläge von den Bürgern gemacht worden, die aber von der Verwaltung und der Mehrheit des Gemeinderats nicht umgesetzt wurden. Der sture Tunnelblick hat vernünftige Lösungen verhindert. Das muss endlich aufhören.

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