ZURÜCK

 

"Wir sind keine Neinsager aus Prinzip"
 
LKZ-SOMMERGESPRÄCHE: Frank Albrecht und Frank Dahl von der Ratsgruppe SALZ über Machtpolitik und Pragmatismus
 
Leonberg. Nach den Ferien wartet viel Arbeit auf die Kommunalpolitik, allen voran die drängende Lösung der Verkehrsprobleme. Thomas K. Slotwinski hat sich mit Vertretern aus dem Gemeinderat unterhalten. Heute: Frank Albrecht und Frank Dahl von der Ratsgruppe SALZ.

Meine Herren, was bedeutet eigentlich die Abkürzung SALZ?

Frank Dahl: Stadt, Arbeit, Leben und Zukunft.

Das sind Begriffe, die sich jede andere Fraktion auch auf die Fahnen schreiben könnte. Warum noch eine Politikgruppierung?

Frank Albrecht: Wir haben uns vor der letzten Kommunalwahl gegründet, weil wir der Meinung waren, dass die Arbeit der anderen Parteien sich oft nach bundespolitischen Aspekten ausrichtet, nicht aber nach den Bedürfnissen vor Ort.

Sie haben bei der Wahl im Juni 2004 tatsächlich zwei Ratsmandate erhalten. Aber so viel hört man von Ihnen seitdem nicht mehr.

Albrecht: Das stimmt so nicht. Wir sind in den einzelnen Agenda-Gruppen sehr präsent. Und da wird ja die wirklich bürgernahe Basisarbeit geleistet.

Dahl: Außerdem haben wir den Eindruck, dass wir von der Verwaltung und den Parteien informationsmäßig an der kurzen Leine gehalten werden. Da wir mit zwei Mann keinen Fraktionsstatus haben (den gibt es erst ab drei Stadträten, die Red.), sind wir auch nicht im Ältestenrat vertreten, jenem Gremium also, in dem die Fraktionsvorsitzenden direkt von der Verwaltungsspitze informiert werden. In der Kurfiss-Debatte beispielsweise, da sind uns während der laufenden Sitzung neue Fakten übermittelt worden. Da kann man sich doch nicht einarbeiten, geschweige denn entscheiden.

Gibt es auch keinen Dialog mit den anderen Fraktionen?

Albrecht: Nicht wirklich. Zum Beispiel interessiert sich niemand dafür, was wir denn anders machen würden. Von dem Tunnel-Antrag der SPD, der ja von vielen unterstützt wurde, wussten wir im Vorfeld gar nichts.

Fühlen Sie sich ausgegrenzt?

Dahl: So kann man das nicht sagen. Im Beirat für den Stadtumbau beispielsweise hat man uns freiwillig einen Sitz angeboten, obwohl man es nicht gemusst hätte.

Wem fühlen Sie sich politisch am nächsten? Der Grün-Alternativen Bürgerliste GABL?

Dahl: Durchaus nicht. Wir wurden nur neben die GABL gesetzt. Auch bei denen scheint die Parteipolitik oft wichtiger als pragmatische Lösungen für die Stadt.

Haben Sie eine Art Parteiprogramm?

Dahl: Nicht im klassischen Sinne. Unsere Devise lautet Offenheit und Pragmatismus. Wir wollen alle Themen einzeln analysieren und entsprechend entscheiden. Ohne irgendwelche Zwänge von außen.

Das dürfte schwer möglich sein, wenn Sie die Stadt informationsmäßig, wie Sie sagen, am ausgestreckten Arm verhungern lässt.

Dahl: Ich will nicht der Verwaltung den Schwarzen Peter zuschieben. Aber das Tempo, das im Rathaus vorgelegt wird, ist unseres Erachtens zu hoch. Das gilt auch für den Stadtumbau.

Was würden Sie denn anders machen?

Albrecht: Wir sind keine Neinsager aus Prinzip. Aber wir halten den Zeitdruck, der oft aufgebaut wird, für überflüssig. Nehmen Sie den Tunnel. Wir wissen doch nicht, welche Auswirkungen der neue Westanschluss oder die künftige Abfahrt Rutesheim auf den Stadtverkehr haben werden. Das sollte man erst auswerten und dann entscheiden.

Dahl: Es ist ja so, dass Geld für die weitere Tunnelplanung benötigt wird. Wenn das zur Konsequenz hätte, dass die Kindergartengebühren erhöht werden, das wäre nicht gut.

Albrecht: Anderes Beispiel: An der Stuttgarter Straße wird ein Radweg angelegt, der wegen der Steillage gar nichts bringt. Eine reine Alibiveranstaltung, damit einige sagen können: Seht her, wir haben etwas für die Radler getan. Das ist nur Selbstdarstellung.

Reden wir mal über konkrete Dinge, zum Beispiel die Finanzsituation. Im LKZ-Sommergespräch vom vergangenen Samstag hat Erwin Widmaier, der Fraktionschef der Freien Wähler, einen konsequenten Schuldenabbau gefordert. Die meisten im Rat denken ähnlich. Sie auch?

Dahl: Auch da empfiehlt sich eine differenzierte Betrachtungsweise. Es bringt doch nichts, aus dem Schuldenabbau ein Dogma zu machen. Wenn es uns weiterbringt, muss auch die eine oder andere Investition sein.

Zum Beispiel für ein neues Allwetterbad?

Dahl: Das könnte eine Chance sein, die unter dem Strich sogar kostengünstiger ist.

Kritiker wenden ein, dass ein Allwetterbad auf dem Gelände des heutigen Leobades zu weit weg von den Schulen wäre.

Dahl: Das sind ja nun wirklich keine unüberwindbaren Entfernungen.

Was halten Sie von den Plänen für ein neues Rathaus?

Albrecht: Da haben wir in der Tat jetzt die einmalige Gelegenheit, ein echtes Bürgerhaus zu bekommen, und zwar wenn wir im Erdgeschoss eines neuen Rathauses einen Supermarkt als Magneten ansiedeln. So können die Menschen Einkäufe und Behördengänge miteinander kombinieren. Für diese Variante treten wir schon sehr lange ein.

Dahl: Für das Gesamtvorhaben Stadtumbau sollten wir jetzt einmal so richtig Geld in die Hand nehmen und einen Ideenwettbewerb international ausschreiben. Das kostet ein bisschen mehr, aber man hat etwas, um ein vernünftiges Gesamtkonzept zu bekommen.

Gehört ein Boulevard zwischen neuer Stadtmitte und Altstadt dazu?

Dahl: Wenn man es richtig anpackt, sind die Chancen für eine schöne Flaniermeile mit den entsprechenden Geschäften vorhanden. Momentan haben wir eher den Eindruck, dass einige nach Punkten suchen, warum es nicht funktionieren kann. Und da haben wir dann wieder die alte Leonberger Krankheit: Viele Themen müssen in eine Schublade hineinpassen. Und wenn das nicht der Fall ist, dann wird es nicht gemacht. Es werden viele Initiativen gebremst, weil jemand von der CDU oder von der SPD einfach nicht über eine gewisse Schwelle gehen kann.



Sie führen also einen Kampf gegen Windmühlen?

Albrecht: Nein. Wir sehen das ganz locker. Aber wir brauchen mehr Leute im Gemeinderat, denen es nicht nur um Parteipolitik geht.

Dahl: Es ist schon so, dass wir bei den Spielregeln im Gemeinderat noch in der Lernphase sind. Wir sind dabei zu ergründen, wie die anderen Fraktionen und die Verwaltungsspitze denken. Die letzte Sitzung vor den Ferien war ein gutes Lehrbeispiel. Da wurden Machtspiele vorgeführt, bei denen es nur ums Prinzip, nicht aber um die Sache ging.

Also sind Ihre Rathauserfahrungen am Ende doch frustrierend.

Albrecht: Aber nein. Wir suchen das Gespräch mit der Bevölkerung, um in allen Punkten wirklich pragmatische Lösungsansätze zu finden. Deshalb wird es uns gelingen, nach der nächsten Wahl mit Fraktionsstärke im Gemeinderat präsent zu sein. Und dann setzen wir auf einen besseren Dialog mit den Neulingen im Gemeinderat. Da einige der altgedienten Stadträte aufhören wollen, erwarten wir einige neue Gesichter, die vielleicht in einer ähnlichen Situation sind wie wir. Es kann also nur besser werden.

 

"Der Gemeinderat wird oft als lästige Hürde angesehen"
 
LKZ-SOMMMERGESPRÄCHE: Eberhard Schmalzried (GABL) über Offenheit, die entschleunigte Stadt und die Sehnsucht nach dem weiten Meer
 
Leonberg. Nach den Ferien wartet viel Arbeit auf den Gemeinderat, allem voran die Lösung der Verkehrsprobleme. Thomas K. Slotwinski hat sich mit den Vorsitzenden der Fraktionen über die Zukunft unterhalten. Heute: Eberhard Schmalzried (Grün-Alternative-Bürgerliste GABL).

Herr Schmalzried, was macht die GABL?

Sie stellt die Opposition. Das ist nicht die Aufgabe, die sie sich wünscht. Aber die anderen Fraktionen sind zu staatstragend.

Opposition gegen die Stadtverwaltung?

Nicht um jeden Preis. Aber manchmal muss man einfach dagegenhalten. Zum Beispiel bei der Haushaltsverabschiedung. Man muss nicht aus Verantwortungsgefühl einem Etat zustimmen, den man im Grunde so nicht in Ordnung findet. Die Stadträte diskutieren zu wenig und lassen sich die Meinung der Verwaltungsspitze aufdrängen. Insbesondere der Oberbürgermeister kann das gut.

Die Diskussionen werden weniger im Gemeinderat, dafür in Fachausschüssen geführt.

Sie kennen doch die Drucksachen, die wir von der Verwaltung bekommen. Da wird ein Beschlussvorschlag gemacht und unter dem Punkt "Alternativen" steht: keine.

Ihr SPD-Kollege Jürgen Stolle hat im LKZ-Gespräch gesagt, er habe mit Ihnen Probleme, weil Sie der SPD nahegestanden hätten.

Das hat damit gar nichts zu tun. Ich bin nur für klare Positionen. Ich bin dafür, dass Entscheidungen gefällt werden.

Genau das ist beim Tunnel geschehen.

Ich will ja gar nicht bestreiten, dass er für die Feuerbacher Straße und die Grabenstraße eine gewisse Entlastung bringen würde. Aber das Gesamtprojekt schießt weit über das Ziel hinaus. 46 Prozent unserer Autofahrten sind reiner Binnenverkehr. Viele nehmen das Auto, weil sie keine andere Möglichkeit haben. Wenn Sie von der Altstadt ins Leo-Center wollen, werden Sie ja fast zum Autofahren gezwungen. Wir brauchen Alternativen.

Wie sollen die aussehen?

Optimal wäre ein zentraler Busbahnhof, der von allen Linien zeitgleich angefahren wird. Die Passagiere könnten also problemlos umsteigen. Dieses Konzept nennt sich Rendezvous-Taktik und wird in vielen Städten erfolgreich praktiziert.

Wo soll denn der zentrale Busbahnhof sein?

Auf dem Parkplatz in der Römerstraße zwischen der Volksbank und dem Leo 2000.

Wie kommen Sie gerade auf diesen Platz?

Er liegt sehr zentral. Von hier aus sind Leo-Center, Römergalerie, Stadthalle, Schulen, Volkshochschule, Hallenbad, Stadtpark und Rathaus bequem zu erreichen.

Glauben Sie nicht, dass die SPD-Vorschläge für eine Verkehrsentlastung der Innenstadt schneller Wirkung zeigen?

Eine Mehrzahl der Ideen dürfte erst gar nicht umgesetzt werden. Der OB hat ja schon gesagt, dass bei der Einführung einer City-Maut das Leo-Center kaputtginge. Das wollen wir nicht. Wir wollen einen Paradigmenwechsel einleiten, der die Benachteilung des öffentlichen Nahverkehrs beendet.

Im neuen Jahr wird es ernst mit dem Stadtumbau. Wird der Brückenschlag zwischen neuer Stadtmitte und Altstadt gelingen?

Das ist eine Idee aus den Agenda-Gruppen. Wir möchten in der Tat eine kleine Brücke zwischen Altstadt und Lindenstraße. Natürlich halten wir zudem eine Allee im Bereich der Eltinger Straße für wünschenswert.

Sie sind dafür, dass nun schnell ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben wird?

Mir wäre es lieber, wir würden zunächst einmal Ideen sammeln, wie die Stadt aussehen könnte. Der französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry sagte einmal: Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen und die Arbeit einzuteilen, sondern wecke in ihnen die Sehnsucht nach dem großen und endlos weiten Meer. Darum geht es. Sie können das Visionen nennen.

Gehört ein neues Rathaus zu den Visionen?

Nein. Der Oberbürgermeister müsste uns schon sagen, warum er es braucht. Ich kann nicht entscheiden, ob es erforderlich ist.

Sprechen wir über das Geld. Soll der strikte Sparkurs fortgesetzt werden?

Wir bekommen vom Finanzbürgermeister Noë gesagt, dass wir sparen müssen. Aber wenn die Stadt Geld braucht, dann ist es plötzlich da. Natürlich bin ich für eine Gesundung des Haushalts. Aber die muss sich mit Ehrlichkeit und Transparenz vollziehen.

Die sind nicht gegeben?

Der Oberbürgermeister könnte den Gemeinderat viel mehr mitnehmen, wenn eine größere Offenheit herrschen würde.

Die wichtigen Themen werden doch im Ältestenrat besprochen.

Da sitzen auf der einen Seite die Fraktionsvertreter, auf der anderen Seite die Verwaltungsspitze. Die klopft dann ab, wie die Stimmung bei den Fraktionen ist. Aber eine ehrliche Diskussion, bei der mehrere Lösungsvarianten besprochen werden, die gibt es nicht.

Ist die Stimmung im Gemeinderat ähnlich?

Nein. Die Stadträte kommen ganz gut miteinander aus. Die vereinzelten Zwischenrufe sind nicht schlimm, denn grundsätzlich kann jeder mit jedem reden. Es gibt da keine Berührungsängste. Aber wie gesagt: Von Verwaltungsseite her wird der Gemeinderat oft als lästige Hürde angesehen. Dabei ist der Gemeinderat ein Rat und kein Abnickverein.

Frustriert Sie diese Situation?

Wir analysieren vorher fraktionsintern die jeweilige Lage. Deshalb sind wir nie über den Ausgang von Abstimmungen überrascht. Natürlich ist es ermutigend, wenn wir in Sachfragen einzelne aus den anderen Fraktionen zu uns herüberziehen.

Brauchen wir neue Gewerbeflächen?

Wir müssen weg von der Ansiedlungskonkurrenz. Wir sollten lieber mit unseren Nachbargemeinden einen Flächenpool bilden und die Gewerbesteuer entsprechend verteilen.

Könnte es nicht sein, dass dann die alte Kreisstadt den Kürzeren zieht?

Nein. Leonberg hat Standortvorteile, die Renningen oder Rutesheim einfach nicht haben. Eine Firma, die nachhaltig plant, wird sich von ein paar Euro Mehrkosten nicht abschrecken lassen, wenn die sogenannten weichen Standortfaktoren stimmen: Kultur, Bildung, Einkaufen, Sport. Und die stimmen.

Wohnen ist auch ein Standortfaktor.

Das ist richtig. Aber ich weiß nicht, ob der Bedarf so groß ist, um das Wohngebiet Ezach 3 größer werden zu lassen, als es der Flächennutzungsplan zulässt.

Die Stadt sagt, Wohnbedarf ist vorhanden.

Vielleicht. Heutzutage können Sie für jede Richtung die passende Statistik bekommen.

Nennen Sie Vor- und Nachteile der Stadt.

Wir haben hier eine Mischung aus Urbanität und Gemütlichkeit und sind mit der S-Bahn in 25 Minuten in der Metropole Stuttgart. Das sind alles echte Vorteile. Deshalb will ich nicht zulassen, dass man Leonberg schlecht- redet. Außerdem gibt es engagierte Bürger, sowohl in Vereinen als auch in Agenda-Gruppen. Dieses Potenzial sollte die Stadt pflegen.

Was ist Leonberg in 25 Jahren?

Eine entschleunigte Stadt, in der Gelassenheit herrscht und in der man sich Zeit lässt.

 

"Der Gemeinderat hat Führungsstärke bewiesen"
 
LKZ-SOMMERGESPRÄCHE: Oberbürgermeister Bernhard Schuler über Sparen ohne Buchhaltermentalität und Bürokratie
 
Leonberg. Nach den Sommerferien wartet viel Arbeit auf die Kommunalpolitiker. Thomas K. Slotwinski hat sich mit Spitzenvertretern aller Gemeinderatsfraktionen unterhalten. Den Abschluss der LKZ-Sommergespräche macht der Oberbürgermeister Bernhard Schuler (parteilos).

Herr Oberbürgermeister, die Debatte um einen Altstadttunnel wurde von den Bürgerinitiativen ausgesprochen emotional geführt.

Es ist leider normal, dass manche Bürger versuchen, Entscheidungen allein in ihrem Interesse herbeizuführen. Im Vergleich zur Debatte um den Engelbergtunnel herrscht jetzt aber eine sachliche Atmosphäre.

Gehen Sie davon aus, dass der Altstadttunnel auch wirklich gebaut wird?

Ich will mich nicht festlegen, aber die Individualisierung der Gesellschaft nimmt weiter zu. Weil das so ist, werden die Belastungen in der Feuerbacher Straße und in der Grabenstraße durch den Bau des Autobahnwestanschlusses zwar zunächst zurückgehen, aber danach wieder steigen. Aber vielleicht kommt eine Rückbesinnung darauf, dass man vieles in der Stadt zu Fuß erledigen kann. Auf jeden Fall bin ich froh, dass der Gemeinderat für den Fall der Fälle der Entscheidung nicht ausgewichen ist und einen Beschluss mit breiter Mehrheit getroffen hat.

Muss der Sparkurs fortgeführt werden?

Ja, zugleich müssen wir bei allen berechtigten Sparbemühungen aufpassen, dass wir nicht in eine Art Buchhaltermentalität hineingeraten und damit die Substanz des geschaffenen Vermögens gefährden. Wir haben städtische Gebäude, Liegenschaften und Kanäle im Wert von circa 280 Millionen Euro. Die müssen wir erhalten. Dabei wird uns auch das neue kommunale Finanzsystem helfen, das wir voraussichtlich 2012 einführen werden. Dann wird die Buchführung nach kaufmännischen Gesichtspunkten geführt, also auch der eigene Besitz dargestellt.

Wie wollen Sie den Nahverkehr verbessern?

Man muss bei allem eine Kosten-Nutzen-Analyse machen. Uns liegen Zahlen vor, dass, selbst wenn wir unser Nahverkehrsangebot verdoppeln würden, die Zahlen der Autofahrten nur um circa 6,7 Prozent zurückgingen. Auch die Schadstoffe sind nur bedingt von Leonberg aus zu reduzieren, weil es vor allem Belastungen des Großraumes sind.

Das kann doch kein Argument sein, die Hände in den Schoß zu legen.

Bestimmte Weichen sind gestellt. Die neuen Abfahrten Leonberg-West und Rutesheim werden zu einer Verminderung des innerstädtischen Verkehrs beitragen. Auch wollen wir ein Parkleitsystem einführen, das für weniger Autofahrten sorgen wird, da die Leute schneller einen Parkplatz finden. Aber ich sage es noch einmal: Eine rein auf die Stadt bezogene Politik wird nicht die gewünschten Ergebnisse bringen. Wir müssen stärker an die Quelle der Immissionen. Dies sind in erster Linie Autos und Hausheizungen.

Anwohner der Gartenstadt kritisieren, dass nachts bis zu 160 Güterzüge passieren.

Ich habe das bei der Bahn überprüft. Tatsächlich fahren an Werktagen zwischen 20 Uhr und sechs Uhr morgens 47 Güterzüge über unsere Strecke, an Samstagen 22 und an Sonntagen sieben. Ich bin seit Jahren aktiv, dass etwas am Waggonmaterial geschieht, um den Lärm an der Quelle zu mindern.

Der im Gemeinderat mit großer Mehrheit beschlossene SPD-Antrag sieht massive Schritte vor, um die Verkehrsbelastungen im Zentrum zu reduzieren. Stehen Sie dahinter?

Aber ja! Schließlich habe ich ja selber mitgestimmt. Aber ich bin für intelligente Lösungen, die nicht den Steuerzahler direkt belasten. Deshalb haben wir den Landkreis bei der Stromerzeugung per Brennstoffzelle auf dem Kompostwerk politisch unterstützt. Dasselbe gilt beim Blockheizkraftwerk auf der Mülldeponie und dem Holzhackschnitzelkraftwerk beim Krankenhaus. Daneben handeln wir immer immissionsmindernd bei unseren Investitionen: Die Warmwasseraufbereitung des Leo-Bads erfolgt seit diesem Jahr über eine Solaranlage. Auch wollen wir den Radverkehr verbessern, aktuell durch den neuen Radweg auf der Stuttgarter Straße.

Was halten Sie von einer Maut?

Ich kenne keine Stadt unserer Größenordnung, die so etwas hat. Wir können uns nicht mit London vergleichen. Ich rate vor einer Festlegung zu einer gründlichen Abwägung.

Die angekündigten Umweltplaketten wegen Feinstaub sind auch eine Art Maut.

Ich bleibe bei meiner Auffassung, dass diese Gesetzgebung verfehlt ist. Die Feinstaubverordnung ist ein Musterbeispiel, wie man bei minimalen Umwelteffekten die Bürokratie auf die Spitze treiben kann. Wenn ich dem Gesetzgeber einen Rat geben darf, dann den, dass er diesen Weg nicht gehen soll. Die Abgasbelastungen müssen an der Quelle bekämpft werden. Und es kann nicht sein, dass am Leonberger Dreieck ein anderes Recht gilt als ein paar Meter weiter in der Stadt.

Im kommenden Jahr soll der Stadtumbau beginnen. Sind die Weichen gestellt?

Wir sind im Dialog mit dem Wüstenrot-Konzern, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten.

Im Rahmen des Stadtumbaus könnte ein Rathausneubau realisiert werden.

Das Thema wird ohnehin auf uns zukommen. Wir haben Mietverträge für verschiedene Ämter, die synchron laufen und alle 2011 enden. Insgesamt ist die Unterbringung der Ämter in fünf verschiedenen Gebäuden kein Idealzustand. Auf jeden Fall muss aber das Alte Rathaus am Marktplatz mit Leben erfüllt bleiben. Die Unterbringung des Bürgeramts dort ist unabdingbar. Bei allen Fragen gilt der Grundsatz: Wir müssen verantwortungsbewusst mit den Geldern der Bürger umgehen.

In der Bevölkerung scheint der Wunsch nach einer Flaniermeile zwischen neuer Stadtmitte und Altstadt besonders groß zu sein.

Das ist ein gutes und wichtiges Projekt, das einen langen Atem braucht. Letztlich muss das ein professioneller Projektentwickler in die Hand nehmen. Dabei müssen die vom Gemeinderat festgelegten Rahmenbedingungen eingehalten werden. Das ist üblich.

Die Umlandgemeinden weisen Wohn- und Gewerbeflächen im großen Stil aus. Hinkt die alte Kreishauptstadt hinterher?

Die Kernstadt ist seit Anfang der 60er Jahre um mehr als die Hälfte gewachsen und hat heute 32 000 Einwohner. Teilorte wie Gebersheim hatten 1967 keine 1000 Einwohner, heute sind es über 2000. Die Gesamtstadt stößt an die Grenzen dessen, was an Flächennutzung möglich ist. Insofern halte ich es für falsch, uns mit Orten zu vergleichen, die gerade auf dem Weg zur Stadt sind. Für uns gelten Böblinger oder Sindelfinger Maßstäbe.

Hat die Stadt Gewerbeflächenreserven?

Wir haben kleinere Areale im Hertich und im Leonberger Dreieck im Stadtbesitz. Daneben ist an der Grenze zwischen Rutesheim und Gebersheim im Flächennutzungsplan ein Gewerbegebiet vorgesehen. Diese Flächen befinden sich nicht in städtischem Besitz.

In der Ansiedlungspolitik sehen Sie also noch Handlungsbedarf?

Ja. Dabei muss der Gemeinderat eine vorausschauende Standortpolitik mittragen, um gesellschaftliche Akzeptanz für die Zukunftsaufgaben zu gewinnen. Das ist eine gemeinsame Führungsaufgabe von Rat und Verwaltung.

Wird der Gemeinderat dieser gerecht?

Er wird es. Er hat in den vergangenen Jahren zukunftsweisende Entscheidungen getroffen, sei es der Altstadttunnel, der Westanschluss oder der Verkauf des Rathauses Höfingen.

Sie scheinen mit "Ihrem" Gemeinderat also zufrieden zu sein?

Ich bin mit ihm zufrieden und hoffe auch in der Zukunft auf eine gute Weichenstellung zum Wohle der Gesamtstadt.

ZURÜCK