"Wir sind keine
Neinsager aus Prinzip"
LKZ-SOMMERGESPRÄCHE: Frank Albrecht und Frank Dahl von der
Ratsgruppe SALZ über Machtpolitik und Pragmatismus
Leonberg. Nach den Ferien wartet viel Arbeit auf die Kommunalpolitik,
allen voran die drängende Lösung der Verkehrsprobleme. Thomas K.
Slotwinski hat sich mit Vertretern aus dem Gemeinderat unterhalten.
Heute: Frank Albrecht und Frank Dahl von der Ratsgruppe SALZ.
Meine Herren, was bedeutet eigentlich die Abkürzung SALZ?
Frank Dahl: Stadt, Arbeit, Leben und Zukunft.
Das sind Begriffe, die sich jede andere Fraktion auch auf die Fahnen
schreiben könnte. Warum noch eine Politikgruppierung?
Frank Albrecht: Wir haben uns vor der letzten Kommunalwahl gegründet,
weil wir der Meinung waren, dass die Arbeit der anderen Parteien sich
oft nach bundespolitischen Aspekten ausrichtet, nicht aber nach den Bedürfnissen
vor Ort.
Sie haben bei der Wahl im Juni 2004 tatsächlich zwei Ratsmandate
erhalten. Aber so viel hört man von Ihnen seitdem nicht mehr.
Albrecht: Das stimmt so nicht. Wir sind in den einzelnen Agenda-Gruppen
sehr präsent. Und da wird ja die wirklich bürgernahe Basisarbeit
geleistet.
Dahl: Außerdem haben wir den Eindruck, dass wir von der Verwaltung und
den Parteien informationsmäßig an der kurzen Leine gehalten werden. Da
wir mit zwei Mann keinen Fraktionsstatus haben (den gibt es erst ab drei
Stadträten, die Red.), sind wir auch nicht im Ältestenrat vertreten,
jenem Gremium also, in dem die Fraktionsvorsitzenden direkt von der
Verwaltungsspitze informiert werden. In der Kurfiss-Debatte
beispielsweise, da sind uns während der laufenden Sitzung neue Fakten
übermittelt worden. Da kann man sich doch nicht einarbeiten, geschweige
denn entscheiden.
Gibt es auch keinen Dialog mit den anderen Fraktionen?
Albrecht: Nicht wirklich. Zum Beispiel interessiert sich niemand dafür,
was wir denn anders machen würden. Von dem Tunnel-Antrag der SPD, der
ja von vielen unterstützt wurde, wussten wir im Vorfeld gar nichts.
Fühlen Sie sich ausgegrenzt?
Dahl: So kann man das nicht sagen. Im Beirat für den Stadtumbau
beispielsweise hat man uns freiwillig einen Sitz angeboten, obwohl man
es nicht gemusst hätte.
Wem fühlen Sie sich politisch am nächsten? Der Grün-Alternativen Bürgerliste
GABL?
Dahl: Durchaus nicht. Wir wurden nur neben die GABL gesetzt. Auch bei
denen scheint die Parteipolitik oft wichtiger als pragmatische Lösungen
für die Stadt.
Haben Sie eine Art Parteiprogramm?
Dahl: Nicht im klassischen Sinne. Unsere Devise lautet Offenheit und
Pragmatismus. Wir wollen alle Themen einzeln analysieren und
entsprechend entscheiden. Ohne irgendwelche Zwänge von außen.
Das dürfte schwer möglich sein, wenn Sie die Stadt informationsmäßig,
wie Sie sagen, am ausgestreckten Arm verhungern lässt.
Dahl: Ich will nicht der Verwaltung den Schwarzen Peter zuschieben. Aber
das Tempo, das im Rathaus vorgelegt wird, ist unseres Erachtens zu hoch.
Das gilt auch für den Stadtumbau.
Was würden Sie denn anders machen?
Albrecht: Wir sind keine Neinsager aus Prinzip. Aber wir halten den
Zeitdruck, der oft aufgebaut wird, für überflüssig. Nehmen Sie den
Tunnel. Wir wissen doch nicht, welche Auswirkungen der neue
Westanschluss oder die künftige Abfahrt Rutesheim auf den Stadtverkehr
haben werden. Das sollte man erst auswerten und dann entscheiden.
Dahl: Es ist ja so, dass Geld für die weitere Tunnelplanung benötigt
wird. Wenn das zur Konsequenz hätte, dass die Kindergartengebühren erhöht
werden, das wäre nicht gut.
Albrecht: Anderes Beispiel: An der Stuttgarter Straße wird ein Radweg
angelegt, der wegen der Steillage gar nichts bringt. Eine reine
Alibiveranstaltung, damit einige sagen können: Seht her, wir haben
etwas für die Radler getan. Das ist nur Selbstdarstellung.
Reden wir mal über konkrete Dinge, zum Beispiel die Finanzsituation. Im
LKZ-Sommergespräch vom vergangenen Samstag hat Erwin Widmaier, der
Fraktionschef der Freien Wähler, einen konsequenten Schuldenabbau
gefordert. Die meisten im Rat denken ähnlich. Sie auch?
Dahl: Auch da empfiehlt sich eine differenzierte Betrachtungsweise. Es
bringt doch nichts, aus dem Schuldenabbau ein Dogma zu machen. Wenn es
uns weiterbringt, muss auch die eine oder andere Investition sein.
Zum Beispiel für ein neues Allwetterbad?
Dahl: Das könnte eine Chance sein, die unter dem Strich sogar kostengünstiger
ist.
Kritiker wenden ein, dass ein Allwetterbad auf dem Gelände des heutigen
Leobades zu weit weg von den Schulen wäre.
Dahl: Das sind ja nun wirklich keine unüberwindbaren Entfernungen.
Was halten Sie von den Plänen für ein neues Rathaus?
Albrecht: Da haben wir in der Tat jetzt die einmalige Gelegenheit, ein
echtes Bürgerhaus zu bekommen, und zwar wenn wir im Erdgeschoss eines
neuen Rathauses einen Supermarkt als Magneten ansiedeln. So können die
Menschen Einkäufe und Behördengänge miteinander kombinieren. Für
diese Variante treten wir schon sehr lange ein.
Dahl: Für das Gesamtvorhaben Stadtumbau sollten wir jetzt einmal so
richtig Geld in die Hand nehmen und einen Ideenwettbewerb international
ausschreiben. Das kostet ein bisschen mehr, aber man hat etwas, um ein
vernünftiges Gesamtkonzept zu bekommen.
Gehört ein Boulevard zwischen neuer Stadtmitte und Altstadt dazu?
Dahl: Wenn man es richtig anpackt, sind die Chancen für eine schöne
Flaniermeile mit den entsprechenden Geschäften vorhanden. Momentan
haben wir eher den Eindruck, dass einige nach Punkten suchen, warum es
nicht funktionieren kann. Und da haben wir dann wieder die alte
Leonberger Krankheit: Viele Themen müssen in eine Schublade
hineinpassen. Und wenn das nicht der Fall ist, dann wird es nicht
gemacht. Es werden viele Initiativen gebremst, weil jemand von der CDU
oder von der SPD einfach nicht über eine gewisse Schwelle gehen kann.
Sie führen also einen Kampf gegen Windmühlen?
Albrecht: Nein. Wir sehen das ganz locker. Aber wir brauchen mehr Leute
im Gemeinderat, denen es nicht nur um Parteipolitik geht.
Dahl: Es ist schon so, dass wir bei den Spielregeln im Gemeinderat noch
in der Lernphase sind. Wir sind dabei zu ergründen, wie die anderen
Fraktionen und die Verwaltungsspitze denken. Die letzte Sitzung vor den
Ferien war ein gutes Lehrbeispiel. Da wurden Machtspiele vorgeführt,
bei denen es nur ums Prinzip, nicht aber um die Sache ging.
Also sind Ihre Rathauserfahrungen am Ende doch frustrierend.
Albrecht: Aber nein. Wir suchen das Gespräch mit der Bevölkerung, um
in allen Punkten wirklich pragmatische Lösungsansätze zu finden.
Deshalb wird es uns gelingen, nach der nächsten Wahl mit Fraktionsstärke
im Gemeinderat präsent zu sein. Und dann setzen wir auf einen besseren
Dialog mit den Neulingen im Gemeinderat. Da einige der altgedienten
Stadträte aufhören wollen, erwarten wir einige neue Gesichter, die
vielleicht in einer ähnlichen Situation sind wie wir. Es kann also nur
besser werden.
"Der
Gemeinderat wird oft als lästige Hürde angesehen"
LKZ-SOMMMERGESPRÄCHE: Eberhard Schmalzried (GABL) über Offenheit,
die entschleunigte Stadt und die Sehnsucht nach dem weiten Meer
Leonberg. Nach den Ferien wartet viel Arbeit auf den Gemeinderat, allem
voran die Lösung der Verkehrsprobleme. Thomas K. Slotwinski hat sich
mit den Vorsitzenden der Fraktionen über die Zukunft unterhalten.
Heute: Eberhard Schmalzried (Grün-Alternative-Bürgerliste GABL).
Herr Schmalzried, was macht die GABL?
Sie stellt die Opposition. Das ist nicht die Aufgabe, die sie sich wünscht.
Aber die anderen Fraktionen sind zu staatstragend.
Opposition gegen die Stadtverwaltung?
Nicht um jeden Preis. Aber manchmal muss man einfach dagegenhalten. Zum
Beispiel bei der Haushaltsverabschiedung. Man muss nicht aus
Verantwortungsgefühl einem Etat zustimmen, den man im Grunde so nicht
in Ordnung findet. Die Stadträte diskutieren zu wenig und lassen sich
die Meinung der Verwaltungsspitze aufdrängen. Insbesondere der Oberbürgermeister
kann das gut.
Die Diskussionen werden weniger im Gemeinderat, dafür in Fachausschüssen
geführt.
Sie kennen doch die Drucksachen, die wir von der Verwaltung bekommen. Da
wird ein Beschlussvorschlag gemacht und unter dem Punkt
"Alternativen" steht: keine.
Ihr SPD-Kollege Jürgen Stolle hat im LKZ-Gespräch gesagt, er habe mit
Ihnen Probleme, weil Sie der SPD nahegestanden hätten.
Das hat damit gar nichts zu tun. Ich bin nur für klare Positionen. Ich
bin dafür, dass Entscheidungen gefällt werden.
Genau das ist beim Tunnel geschehen.
Ich will ja gar nicht bestreiten, dass er für die Feuerbacher Straße
und die Grabenstraße eine gewisse Entlastung bringen würde. Aber das
Gesamtprojekt schießt weit über das Ziel hinaus. 46 Prozent unserer
Autofahrten sind reiner Binnenverkehr. Viele nehmen das Auto, weil sie
keine andere Möglichkeit haben. Wenn Sie von der Altstadt ins
Leo-Center wollen, werden Sie ja fast zum Autofahren gezwungen. Wir
brauchen Alternativen.
Wie sollen die aussehen?
Optimal wäre ein zentraler Busbahnhof, der von allen Linien zeitgleich
angefahren wird. Die Passagiere könnten also problemlos umsteigen.
Dieses Konzept nennt sich Rendezvous-Taktik und wird in vielen Städten
erfolgreich praktiziert.
Wo soll denn der zentrale Busbahnhof sein?
Auf dem Parkplatz in der Römerstraße zwischen der Volksbank und dem
Leo 2000.
Wie kommen Sie gerade auf diesen Platz?
Er liegt sehr zentral. Von hier aus sind Leo-Center, Römergalerie,
Stadthalle, Schulen, Volkshochschule, Hallenbad, Stadtpark und Rathaus
bequem zu erreichen.
Glauben Sie nicht, dass die SPD-Vorschläge für eine Verkehrsentlastung
der Innenstadt schneller Wirkung zeigen?
Eine Mehrzahl der Ideen dürfte erst gar nicht umgesetzt werden. Der OB
hat ja schon gesagt, dass bei der Einführung einer City-Maut das
Leo-Center kaputtginge. Das wollen wir nicht. Wir wollen einen
Paradigmenwechsel einleiten, der die Benachteilung des öffentlichen
Nahverkehrs beendet.
Im neuen Jahr wird es ernst mit dem Stadtumbau. Wird der Brückenschlag
zwischen neuer Stadtmitte und Altstadt gelingen?
Das ist eine Idee aus den Agenda-Gruppen. Wir möchten in der Tat eine
kleine Brücke zwischen Altstadt und Lindenstraße. Natürlich halten
wir zudem eine Allee im Bereich der Eltinger Straße für wünschenswert.
Sie sind dafür, dass nun schnell ein Architektenwettbewerb
ausgeschrieben wird?
Mir wäre es lieber, wir würden zunächst einmal Ideen sammeln, wie die
Stadt aussehen könnte. Der französische Schriftsteller Antoine de
Saint-Exupéry sagte einmal: Wenn Du ein Schiff bauen willst, so trommle
nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen und die Arbeit
einzuteilen, sondern wecke in ihnen die Sehnsucht nach dem großen und
endlos weiten Meer. Darum geht es. Sie können das Visionen nennen.
Gehört ein neues Rathaus zu den Visionen?
Nein. Der Oberbürgermeister müsste uns schon sagen, warum er es
braucht. Ich kann nicht entscheiden, ob es erforderlich ist.
Sprechen wir über das Geld. Soll der strikte Sparkurs fortgesetzt
werden?
Wir bekommen vom Finanzbürgermeister Noë gesagt, dass wir sparen müssen.
Aber wenn die Stadt Geld braucht, dann ist es plötzlich da. Natürlich
bin ich für eine Gesundung des Haushalts. Aber die muss sich mit
Ehrlichkeit und Transparenz vollziehen.
Die sind nicht gegeben?
Der Oberbürgermeister könnte den Gemeinderat viel mehr mitnehmen, wenn
eine größere Offenheit herrschen würde.
Die wichtigen Themen werden doch im Ältestenrat besprochen.
Da sitzen auf der einen Seite die Fraktionsvertreter, auf der anderen
Seite die Verwaltungsspitze. Die klopft dann ab, wie die Stimmung bei
den Fraktionen ist. Aber eine ehrliche Diskussion, bei der mehrere Lösungsvarianten
besprochen werden, die gibt es nicht.
Ist die Stimmung im Gemeinderat ähnlich?
Nein. Die Stadträte kommen ganz gut miteinander aus. Die vereinzelten
Zwischenrufe sind nicht schlimm, denn grundsätzlich kann jeder mit
jedem reden. Es gibt da keine Berührungsängste. Aber wie gesagt: Von
Verwaltungsseite her wird der Gemeinderat oft als lästige Hürde
angesehen. Dabei ist der Gemeinderat ein Rat und kein Abnickverein.
Frustriert Sie diese Situation?
Wir analysieren vorher fraktionsintern die jeweilige Lage. Deshalb sind
wir nie über den Ausgang von Abstimmungen überrascht. Natürlich ist
es ermutigend, wenn wir in Sachfragen einzelne aus den anderen
Fraktionen zu uns herüberziehen.
Brauchen wir neue Gewerbeflächen?
Wir müssen weg von der Ansiedlungskonkurrenz. Wir sollten lieber mit
unseren Nachbargemeinden einen Flächenpool bilden und die Gewerbesteuer
entsprechend verteilen.
Könnte es nicht sein, dass dann die alte Kreisstadt den Kürzeren
zieht?
Nein. Leonberg hat Standortvorteile, die Renningen oder Rutesheim
einfach nicht haben. Eine Firma, die nachhaltig plant, wird sich von ein
paar Euro Mehrkosten nicht abschrecken lassen, wenn die sogenannten
weichen Standortfaktoren stimmen: Kultur, Bildung, Einkaufen, Sport. Und
die stimmen.
Wohnen ist auch ein Standortfaktor.
Das ist richtig. Aber ich weiß nicht, ob der Bedarf so groß ist, um
das Wohngebiet Ezach 3 größer werden zu lassen, als es der Flächennutzungsplan
zulässt.
Die Stadt sagt, Wohnbedarf ist vorhanden.
Vielleicht. Heutzutage können Sie für jede Richtung die passende
Statistik bekommen.
Nennen Sie Vor- und Nachteile der Stadt.
Wir haben hier eine Mischung aus Urbanität und Gemütlichkeit und sind
mit der S-Bahn in 25 Minuten in der Metropole Stuttgart. Das sind alles
echte Vorteile. Deshalb will ich nicht zulassen, dass man Leonberg
schlecht- redet. Außerdem gibt es engagierte Bürger, sowohl in
Vereinen als auch in Agenda-Gruppen. Dieses Potenzial sollte die Stadt
pflegen.
Was ist Leonberg in 25 Jahren?
Eine entschleunigte Stadt, in der Gelassenheit herrscht und in der man
sich Zeit lässt.
"Der
Gemeinderat hat Führungsstärke bewiesen"
LKZ-SOMMERGESPRÄCHE: Oberbürgermeister Bernhard Schuler über
Sparen ohne Buchhaltermentalität und Bürokratie
Leonberg. Nach den Sommerferien wartet viel Arbeit auf die
Kommunalpolitiker. Thomas K. Slotwinski hat sich mit Spitzenvertretern
aller Gemeinderatsfraktionen unterhalten. Den Abschluss der
LKZ-Sommergespräche macht der Oberbürgermeister Bernhard Schuler
(parteilos).
Herr Oberbürgermeister, die Debatte um einen Altstadttunnel wurde von
den Bürgerinitiativen ausgesprochen emotional geführt.
Es ist leider normal, dass manche Bürger versuchen, Entscheidungen
allein in ihrem Interesse herbeizuführen. Im Vergleich zur Debatte um
den Engelbergtunnel herrscht jetzt aber eine sachliche Atmosphäre.
Gehen Sie davon aus, dass der Altstadttunnel auch wirklich gebaut wird?
Ich will mich nicht festlegen, aber die Individualisierung der
Gesellschaft nimmt weiter zu. Weil das so ist, werden die Belastungen in
der Feuerbacher Straße und in der Grabenstraße durch den Bau des
Autobahnwestanschlusses zwar zunächst zurückgehen, aber danach wieder
steigen. Aber vielleicht kommt eine Rückbesinnung darauf, dass man
vieles in der Stadt zu Fuß erledigen kann. Auf jeden Fall bin ich froh,
dass der Gemeinderat für den Fall der Fälle der Entscheidung nicht
ausgewichen ist und einen Beschluss mit breiter Mehrheit getroffen hat.
Muss der Sparkurs fortgeführt werden?
Ja, zugleich müssen wir bei allen berechtigten Sparbemühungen
aufpassen, dass wir nicht in eine Art Buchhaltermentalität
hineingeraten und damit die Substanz des geschaffenen Vermögens gefährden.
Wir haben städtische Gebäude, Liegenschaften und Kanäle im Wert von
circa 280 Millionen Euro. Die müssen wir erhalten. Dabei wird uns auch
das neue kommunale Finanzsystem helfen, das wir voraussichtlich 2012
einführen werden. Dann wird die Buchführung nach kaufmännischen
Gesichtspunkten geführt, also auch der eigene Besitz dargestellt.
Wie wollen Sie den Nahverkehr verbessern?
Man muss bei allem eine Kosten-Nutzen-Analyse machen. Uns liegen Zahlen
vor, dass, selbst wenn wir unser Nahverkehrsangebot verdoppeln würden,
die Zahlen der Autofahrten nur um circa 6,7 Prozent zurückgingen. Auch
die Schadstoffe sind nur bedingt von Leonberg aus zu reduzieren, weil es
vor allem Belastungen des Großraumes sind.
Das kann doch kein Argument sein, die Hände in den Schoß zu legen.
Bestimmte Weichen sind gestellt. Die neuen Abfahrten Leonberg-West und
Rutesheim werden zu einer Verminderung des innerstädtischen Verkehrs
beitragen. Auch wollen wir ein Parkleitsystem einführen, das für
weniger Autofahrten sorgen wird, da die Leute schneller einen Parkplatz
finden. Aber ich sage es noch einmal: Eine rein auf die Stadt bezogene
Politik wird nicht die gewünschten Ergebnisse bringen. Wir müssen stärker
an die Quelle der Immissionen. Dies sind in erster Linie Autos und
Hausheizungen.
Anwohner der Gartenstadt kritisieren, dass nachts bis zu 160 Güterzüge
passieren.
Ich habe das bei der Bahn überprüft. Tatsächlich fahren an Werktagen
zwischen 20 Uhr und sechs Uhr morgens 47 Güterzüge über unsere
Strecke, an Samstagen 22 und an Sonntagen sieben. Ich bin seit Jahren
aktiv, dass etwas am Waggonmaterial geschieht, um den Lärm an der
Quelle zu mindern.
Der im Gemeinderat mit großer Mehrheit beschlossene SPD-Antrag sieht
massive Schritte vor, um die Verkehrsbelastungen im Zentrum zu
reduzieren. Stehen Sie dahinter?
Aber ja! Schließlich habe ich ja selber mitgestimmt. Aber ich bin für
intelligente Lösungen, die nicht den Steuerzahler direkt belasten.
Deshalb haben wir den Landkreis bei der Stromerzeugung per
Brennstoffzelle auf dem Kompostwerk politisch unterstützt. Dasselbe
gilt beim Blockheizkraftwerk auf der Mülldeponie und dem
Holzhackschnitzelkraftwerk beim Krankenhaus. Daneben handeln wir immer
immissionsmindernd bei unseren Investitionen: Die Warmwasseraufbereitung
des Leo-Bads erfolgt seit diesem Jahr über eine Solaranlage. Auch
wollen wir den Radverkehr verbessern, aktuell durch den neuen Radweg auf
der Stuttgarter Straße.
Was halten Sie von einer Maut?
Ich kenne keine Stadt unserer Größenordnung, die so etwas hat. Wir können
uns nicht mit London vergleichen. Ich rate vor einer Festlegung zu einer
gründlichen Abwägung.
Die angekündigten Umweltplaketten wegen Feinstaub sind auch eine Art
Maut.
Ich bleibe bei meiner Auffassung, dass diese Gesetzgebung verfehlt ist.
Die Feinstaubverordnung ist ein Musterbeispiel, wie man bei minimalen
Umwelteffekten die Bürokratie auf die Spitze treiben kann. Wenn ich dem
Gesetzgeber einen Rat geben darf, dann den, dass er diesen Weg nicht
gehen soll. Die Abgasbelastungen müssen an der Quelle bekämpft werden.
Und es kann nicht sein, dass am Leonberger Dreieck ein anderes Recht
gilt als ein paar Meter weiter in der Stadt.
Im kommenden Jahr soll der Stadtumbau beginnen. Sind die Weichen
gestellt?
Wir sind im Dialog mit dem Wüstenrot-Konzern, um einen reibungslosen Übergang
zu gewährleisten.
Im Rahmen des Stadtumbaus könnte ein Rathausneubau realisiert werden.
Das Thema wird ohnehin auf uns zukommen. Wir haben Mietverträge für
verschiedene Ämter, die synchron laufen und alle 2011 enden. Insgesamt
ist die Unterbringung der Ämter in fünf verschiedenen Gebäuden kein
Idealzustand. Auf jeden Fall muss aber das Alte Rathaus am Marktplatz
mit Leben erfüllt bleiben. Die Unterbringung des Bürgeramts dort ist
unabdingbar. Bei allen Fragen gilt der Grundsatz: Wir müssen
verantwortungsbewusst mit den Geldern der Bürger umgehen.
In der Bevölkerung scheint der Wunsch nach einer Flaniermeile zwischen
neuer Stadtmitte und Altstadt besonders groß zu sein.
Das ist ein gutes und wichtiges Projekt, das einen langen Atem braucht.
Letztlich muss das ein professioneller Projektentwickler in die Hand
nehmen. Dabei müssen die vom Gemeinderat festgelegten Rahmenbedingungen
eingehalten werden. Das ist üblich.
Die Umlandgemeinden weisen Wohn- und Gewerbeflächen im großen Stil
aus. Hinkt die alte Kreishauptstadt hinterher?
Die Kernstadt ist seit Anfang der 60er Jahre um mehr als die Hälfte
gewachsen und hat heute 32 000 Einwohner. Teilorte wie Gebersheim hatten
1967 keine 1000 Einwohner, heute sind es über 2000. Die Gesamtstadt stößt
an die Grenzen dessen, was an Flächennutzung möglich ist. Insofern
halte ich es für falsch, uns mit Orten zu vergleichen, die gerade auf
dem Weg zur Stadt sind. Für uns gelten Böblinger oder Sindelfinger Maßstäbe.
Hat die Stadt Gewerbeflächenreserven?
Wir haben kleinere Areale im Hertich und im Leonberger Dreieck im
Stadtbesitz. Daneben ist an der Grenze zwischen Rutesheim und Gebersheim
im Flächennutzungsplan ein Gewerbegebiet vorgesehen. Diese Flächen
befinden sich nicht in städtischem Besitz.
In der Ansiedlungspolitik sehen Sie also noch Handlungsbedarf?
Ja. Dabei muss der Gemeinderat eine vorausschauende Standortpolitik
mittragen, um gesellschaftliche Akzeptanz für die Zukunftsaufgaben zu
gewinnen. Das ist eine gemeinsame Führungsaufgabe von Rat und
Verwaltung.
Wird der Gemeinderat dieser gerecht?
Er wird es. Er hat in den vergangenen Jahren zukunftsweisende
Entscheidungen getroffen, sei es der Altstadttunnel, der Westanschluss
oder der Verkauf des Rathauses Höfingen.
Sie scheinen mit "Ihrem" Gemeinderat also zufrieden zu sein?
Ich bin mit ihm zufrieden und hoffe auch in der Zukunft auf eine gute
Weichenstellung zum Wohle der Gesamtstadt.
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