LKZ-SOMMERGESPRÄCHE:
"Friedhofsruhe in der Stadt ist
nicht das Ziel"
CDU-Fraktionschef Alwin Grupp über Verkehrsprobleme, Stadtumbau und
Nachbarschaft
Leonberg. Die Kommunalpolitik macht Pause. Doch den Stadträten stehen
nach den Ferien große Aufgaben bevor: drängende Verkehrsprobleme und
eine völlige Neugestaltung der Innenstadt. Thomas K. Slotwinski hat
sich mit Sprechern der Ratsfraktionen über die Zukunftsaufgaben
unterhalten. Den Auftakt macht
Alwin Grupp, Fraktionschef der CDU.
Herr Grupp, der Altstadttunnel ist beschlossen. Aber wird er auch jemals
kommen?
Ich bin überzeugt, dass der Tunnel kommen wird. Je größer die
Belastungen durch Feinstaub, Lärm und Abgase werden, desto größer
wird der Druck, den Tunnel zu bauen. Wir sind in einer guten Situation.
In Bund und Land sprudeln die Steuereinnahmen. Auch bei uns sieht"
s nicht so schlecht aus.
Die Widerstände in der Bevölkerung gegen das Projekt sind immens.
Deshalb wollen wir ja alles tun, um kurzfristig die Situation zu
verbessern. Die große Mehrheit meiner Fraktion zieht daher bei der
Umsetzung des SPD-Antrages mit.
In dem Antrag werden die City-Maut, Durchfahrtssperren und höhere
Parkgebühren vorgeschlagen. Sind das für Sie diskutierbare Punkte?
Ich sehe das Ganze als Themenpaket, über das wir uns unterhalten müssen.
Dabei wird das eine oder das andere unter den Tisch fallen. Beim Thema
City-Maut stellt sich die Frage, ob die Stadt dazu überhaupt berechtigt
ist. Mir ist wichtig, dass die heimische Wirtschaft durch die
Verkehrspolitik nicht belastet werden darf. Auch müssen die Zufahrtsmöglichkeiten
zu den Einkaufsstätten, etwa dem Leo-Center, gegeben sein. Dafür wäre
dann der Tunnel da. Eine Friedhofsruhe in der Stadt kann nicht das Ziel
sein.
Einige Ihrer Parteifreunde bevorzugen eine Umgehungsstraße.
Die haben wir bald: Durch die beiden Autobahnanschlüsse Leonberg-Ost
und Leonberg-West. Ich weiß, dass einige seit Jahren eine andere
Meinung haben. Aber ich bleibe dabei: Eine Umgehung bringt keine
Entlastung.
Die Tunneldiskussion steht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem
Stadtumbau.
So ist es. Um überhaupt einen Architektenwettbewerb ausschreiben zu können,
mussten wir vorher die Verkehrswege festlegen. Kein Investor nimmt Geld
in die Hand, wenn er nicht weiß, wie die Straßen verlaufen.
Wüstenrot will im Sommer 2008 gehen. Ist dann sofort die Abrissbirne fällig?
Wer weiß? Vielleicht gibt es ja noch eine große Firma, die das Gebäude
haben will.
Dann müsste natürlich völlig neu gedacht werden. Gibt es denn einen
Plan B?
Der ist mir nicht bekannt.
Was halten Sie davon, bei den Planungen einen neuen Lebensmittelmarkt
vorzusehen?
Die uns vorliegenden Gutachten besagen, dass es in der Innenstadt in
diesem Bereich nach wie vor eine Angebotslücke gibt. Die könnte dann
geschlossen werden.
Auch ein Rathaus-Neubau ist im Gespräch.
Das ist in der Tat eine große Chance, wie wir sie seit 60 Jahren nicht
mehr gehabt haben. In einem Neubau könnten wir alle Ämter bündeln,
die jetzt über verschiedene Dienststellen verteilt sind. Zumal das
jetzige Rathaus in die Jahre gekommen ist und aufwendige Reparaturen
anstünden.
Selbst bei größtmöglichen Zuschüssen: Übernimmt sich Leonberg nicht
finanziell?
Wir werden die Zwischenstadt, oder "Leo 21", wie ich es gerne
nenne, nicht von heute auf morgen realisieren. Wir müssen immer sehen,
wann wir etwas abzwacken können. Das wird sich über einen Zeitraum von
20, vielleicht sogar 25 Jahren erstrecken.
Die Stadt wird also nicht das Geld mit beiden Händen ausgeben?
Auf keinen Fall. Wir müssen am Schuldenabbau festhalten. Aber
angesichts der guten Wirtschaftsphase sehe ich Chancen, unsere Vorhaben
zeitnah zu verwirklichen. Dazu zählt ja nicht nur die Innenstadt. Ich
erinnere an das Baugebiet Ezach 3, das wir im Gemeinderat gerade auf den
Weg gebracht haben. Das bedeutet 250 neue Wohnungen und damit Zuzug nach
Leonberg. Das Schöne ist, dass hier die Infrastruktur bereits vorhanden
ist. Oder nehmen wir die beiden Baugebiete in Gebersheim. Die werden den
Stadtteil nicht verändern, aber für Zuzug sorgen. In Gebersheim ist
natürlich die entscheidende Frage: Was geschieht mit dem ehemaligen
Saunabad? Ich habe im Gemeinderat bewusst eine Entscheidungsfindung
ausgebremst, um bei diesem sensiblen Thema noch den Ortschaftsrat
einzubinden.
Was ist dort geplant?
Angedacht ist ein Wohngebiet mit bis zu zehn Einfamilienhäusern. Außerdem
soll eine neue Bürgerhalle entstehen, da die alte Festhalle im Grunde
abbruchreif ist. Darüber hinaus haben wir auch durch die Neugestaltung
der Kernstadt Potenziale für weiteren Wohnraum, zum Beispiel auf dem
Gelände des Wochenmarktes in der Steinstraße und am alten
Reiterstadion. Dann aber brauchen wir einen Alternativstandort für den
Pferdemarkt. Den wollen wir auf jeden Fall im Zentrum halten. Viele
werden sich erst klar werden, welche Möglichkeiten wir haben, wenn das
Leobau-Gebäude abgerissen ist. Das ist eine riesige Fläche.
Flächen sind auch für Gewerbeansiedlungen nötig. Hat die Stadt genug?
Im Hertich und in den Riedwiesen ist einiges zu verwirklichen. Auch an
der Grenze zu Rutesheim sind Gewerbeflächen vorgesehen.
Aber jenseits der Gemarkungsgrenze, da weist Rutesheim ein Gewerbegebiet
nach dem anderen aus, und in Leonberg passiert nichts.
Diesen Eindruck habe ich nicht. Leonberg ist viermal so groß wie
Rutesheim. Da sind die Diskussionen sehr viel schwieriger.
Trotzdem gibt es eine Konkurrenz zwischen Leonberg und den
Umlandgemeinden.
Ich glaube nicht, dass die benachbarten Städte und Gemeinden wirkliche
Konkurrenten sind. Jeder hat seinen eigenen Reiz.
Nennen Sie doch mal drei Vorzüge.
Wir haben die Natur direkt an der Stadt, wir haben sehr viele originelle
Feste, allen voran der Pferdemarkt, der ja eine Ausstrahlung weit über
die Region hinaus hat. Wir haben eine schöne Altstadt mit dem Schloss
und dem bundesweit einmaligen Pomeranzengarten. Und wir sind schnell
erreichbar.
Und drei Nachteile?
Da kann ich bei den Vorteilen anknüpfen. Die Kehrseite unserer
Zentralität ist die Zangenlage zwischen zwei sehr stark befahrenen
Autobahnen. Auch der andere Vorzug, die Altstadt, hat
Verbesserungspotenziale. Da müsste in der Vermarktung viel mehr
gepowert werden. Allein die wunderschöne Atmosphäre in der Adventszeit
auf dem Marktplatz ist viel zu wenig bekannt. Unser größtes Problem
ist die nach wie vor ungelöste Verkehrssituation mit einer Nord-Süd-Achse,
die mitten durch die Stadt geht.
Wie wird Leonberg in 25 Jahren aussehen?
Es wird eine liebenswerte und schöne Stadt sein, in der die
Verkehrsprobleme und die Belastungen durch Lärm und Abgas der
Vergangenheit angehören. Einerseits durch eine bessere Technik der
Fahrzeuge. Aber auch durch unsere eigenen Bemühungen, auf die
vielleicht ganz Baden-Württemberg blickt und sagt: Schaut, wie gut es
die Leonberger gemacht haben. Siehe Blickwinkel, S. III
"Wir müssen
das Thema City-Maut anpacken"
LKZ-SOMMERGESPRÄCHE: SPD-Fraktionschef Jürgen Stolle über das
Klima im Gemeinderat und neue Wege in der Verkehrspolitik
Leonberg. Nach den Ferien wartet viel Arbeit auf die Kommunalpolitik,
allen voran die drängende Lösung der Verkehrsprobleme. Thomas K.
Slotwinski hat sich mit den Vorsitzenden der Ratsfraktionen über die
Zukunftsaufgaben unterhalten. Heute: Jürgen Stolle (SPD).
Herr Stolle, der Tunnelbeschluss war sehr deutlich. Ist das ein Indiz
dafür, dass sich der Gemeinderat bei wirklich wichtigen Themen zu
stabilen Mehrheiten durchringen kann?
In den vergangenen zwei Jahren haben wir das ganz gut hingekriegt,
zuletzt bei der Verabschiedung des aktuellen Haushaltes.
Also ist das Verhältnis zwischen Fraktionen gar nicht so schlecht?
Grundsätzlich können wir miteinander reden, sowohl mit den Freien Wählern,
als auch mit CDU und FDP. Schwieriger ist es mit der Grün-Alternativen-Bürgerliste
Gabl und der Salz-Gruppierung. Das mag bei der Gabl daran liegen, dass
Bernd Murschel früher SPD-Mitglied war und Eberhard Schmalzried
zumindest SPD-Sympathisant.
Gehen ehemalige Sozialdemokraten besonders streng mit ihrer alten Partei
um?
Das auch. Aber ich stelle bei der Gabl eine Selbstgewissheit fest. Die
wissen immer gleich, was richtig und was falsch ist. Bei uns dauert der
Entscheidungsprozess länger.
Bleiben wir bei der SPD, die im Moment einen schweren Stand hat. Gibt es
Unterschiede zwischen dem Handeln der Mandatsträger und der
eigentlichen Parteiprogrammatik?
Ich gehöre der SPD jetzt fast 30 Jahre an und bin eingefleischter
Sozialdemokrat. Aber es gibt einen Unterschied im Selbstverständnis, ob
man dem Gemeinderat angehört oder eben nicht. Als Stadtrat will man
etwas erreichen. Natürlich sind außerhalb der Fraktion Stimmen zu hören,
die sagen: Ihr müsst profilierter sein und auch mal Dinge, die von der
Verwaltung kommen, ablehnen. Aber wir stehen in der Verantwortung, zum
Beispiel, um einen Haushalt hinzukriegen. Um der Sache Willen ist man da
schon geneigt, mitzustimmen, auch wenn es schwerfällt.
Wie ist das Verhältnis zwischen Rat und Verwaltungsspitze?
Grundsätzlich ist es ein gutes Verhältnis. Aber es hat schon
Situationen gegeben, da hatte man den Eindruck, der Rat sollte auf ein
bestimmtes Pferd gesetzt werden. Das war unlängst beim Saunabad
Gebersheim so, wo sowohl der Gemeinderat als auch der Ortschaftsrat
lange nicht vernünftig informiert wurden. Warum auch immer. Dabei hat
das Thema natürlich in Gebersheim, aber auch in der Gesamtstadt eine
große Bedeutung. Das hat schon für Verstimmungen gesorgt. Andererseits
hat es Fälle gegeben, bei denen vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit
gelangt sind und die Verwaltung berechtigten Anlass hatte, an der Verlässlichkeit
einiger Stadträte zu zweifeln.
Sprechen wir über Verkehrspolitik. Der Antrag Ihrer Fraktion beinhaltet
ja nicht nur die Möglichkeit, einen Tunnel zu bauen, sondern hat zum
Teil sehr progressive Vorschläge, die Innenstadt vom Verkehr zu
entlasten.
Ein wichtiger Schritt zur Lärm- und Abgasreduzierung wird bald
abgeschlossen sein. Wenn wir neben dem Ostanschluss auch einen
Westanschluss an der Autobahn haben, ist das faktisch eine Umgehungsstraße.
Sicherlich eine der teuersten überhaupt. Jetzt müssen wir über viele
Sachen, die uns bisher nicht beschäftigt haben , einfach mal intensiv
nachdenken. Dazu gehört, dass man das Thema City-Maut anpackt. Eine
gute Variante könnte eine innerstädtische Einbahnstraßenregelung
sein, also so eine Art Cityring. Man muss so etwas ja nicht gleich endgültig
beschließen, aber man kann es ausprobieren. Außerdem müssen wir über
den städtischen Haushalt Verbesserungen im Nahverkehr realisieren.
Momentan sind die Bustakte nur auf die S-Bahn abgestimmt.
Eng mit der Verkehrsproblematik hängt die Neugestaltung der Innenstadt
rund um das Wüstenrot-Areal zusammen. Nach den Ferien wird ein
Architektenwettbewerb ausgeschrieben.
Genau. Aber da sollten wir sehr genau über die Ziele nachdenken. Wir
brauchen ein Bild, wo es städtebaulich hingehen soll und dürfen mit
unrealistischen Vorstellungen keine Konflikte produzieren, die dann
nicht lösbar oder wirtschaftlich nicht darstellbar sind.
Was heißt das konkret?
Nehmen wir die angedachte Verlagerung des Reiterstadions, die ich gut
finde. Aber solch ein Vorhaben muss durch die Vermarktung der
Restgrundstücke auf dem Steinstraßen-Gelände finanzierbar sein. Das
gilt auch für eine Art Boulevard zwischen Neustadt und Altstadt. Grundsätzlich
brauchen wir diesen Brückenschlag. Ob es uns aber gelingt, für einen
Flaniermeile genügend Einzelhandel anzusiedeln, da setze ich im Moment
ein Fragezeichen hinter. Ein Möglichkeit wäre, dass wir einen
professionellen Projektentwickler einbinden, der sich gleich auch um die
Vermarktung kümmert.
Was wird das Leo-Center zu all dem sagen?
Ich denke, das Management ist froh, wenn Kaufkraft hier gebunden wird.
Wenn der Kuchen gar nicht mehr in Leonberg gegessen wird, hat auch das
Center nichts davon.
Im Zuge der Stadtneugestaltung wird über einen Rathausneubau
diskutiert. Sinnvoll?
Sinnvoll wäre eine Kombination zwischen Einkaufen und Verwaltung mit
Geschäften und einem Bürgerbüro im Erdgeschoss. In den oberen Etagen
wären die anderen Ämter. Aber auch das ist eine Frage des Geldes.
Die Haushaltslage hat sich entspannt. Kann Leonberg wieder investieren?
Die Schwierigkeit ist, dass wir neben dem Tunnel noch ein, zwei
Baustellen haben, die wir nicht ignorieren können. So müssen wir eine
Schulmensa in der Innenstadt realisieren. Ansonsten ist wichtig, die
Substanz zu erhalten. Nehmen Sie die Stuttgarter Straße. Da bauen wir
nicht neu, sondern erhalten die Substanz. Das gilt auch für die
Immobilien der Vereine. Wir müssen verhindern, dass irgendwann die
Vereine kommen und sagen, dass ihnen ihre Halle zusammenbricht.
Sie haben der Stadt vorgeworfen, sich nicht ausreichend um die Vereine
zu kümmern.
Mittlerweile hat die Verwaltung bei den Vereinen einmal nachgefragt. Die
Reaktionen haben gezeigt, dass unsere Problemanalyse richtig war. Aber
was das bedeutet, da sind wir noch keinen Schritt weiter.
Die Umlandgemeinden weisen ständig Baugebiete aus. Muss Leonberg nicht
mithalten?
Ich glaube, mit Verlaub, dass die Umlandgemeinden teilweise über ihre
Verhältnisse planen. Die müssen ihre Flächen auch vollkriegen. Wir
haben einige Baugebiete: Ezach 3, Blosenberg, die Kirschgärten. Am
Samariterstift entsteht Bauland. Schließlich bietet der Stadtumbau
Chancen auf neue Wohnflächen. Das mögen alles nicht die großen Würfe
sein, aber es sind sinnvolle Ergänzungen. Dass wir vor 30 Jahren darauf
verzichtet haben, massive Wohnghettos zu bauen, kommt heute unserer
Stadtkultur zugute. Im Gegensatz zu Sindelfingen haben wir kaum mit
Rechtsradikalismus zu tun.
Brauchen wir neue Gewerbeflächen?
Am wichtigsten ist es, hier schon bestehende Unternehmen zu halten. Wenn
wir dann noch alle Brachen gefüllt kriegen, können wir uns glücklich
schätzen.
Wie beurteilen Sie die Konkurrenz zu den Nachbargemeinden?
Im Gegensatz zu Rutesheim, Renningen oder Gerlingen sind wir
Mittelzentrum. Wir liegen viel mehr im Wettbewerb mit Böblingen,
Sindelfingen, Ludwigsburg oder Nürtingen.
Nennen Sie drei Vorzüge und drei Nachteile Leonbergs.
Die Stadt bietet für Familien wirklich alles: Kleinkinderbetreuung,
Schulen und Freizeiteinrichtungen mit kurzen Wegen. Wir haben ein
grandioses Vereinsleben mit ganz großem ehrenamtlichen Einsatz, wie
zuletzt auf dem Wengerterfest zu sehen. Und wir liegen verkehrsmäßig
überaus günstig. Das ist allerdings gleichzeitig der große Nachteil.
Die Autobahnen sind Fluch und Segen zugleich.
Wie wird Leonberg in 25 Jahren aussehen?
Wir werden Modellstandort für eine umweltgerechte städtische Mobilität
sein. Außerdem täte uns eine Fachhochschule sehr gut.
"Ich lasse
mich von niemandem unter Druck setzen"
LKZ-SOMMERGESPRÄCHE: Freie-Wähler-Fraktionschef Erwin Widmaier über
die "grüne Welle", Sparziele und die Verantwortung des
Gemeinderates
Leonberg. Nach den Ferien wartet viel Arbeit auf die Kommunalpolitik,
allen voran die drängende Lösung der Verkehrsprobleme. Thomas K.
Slotwinski hat sich mit den Vorsitzenden der Ratsfraktionen über die
Zukunftsaufgaben unterhalten. Heute: Erwin Widmaier (Freie Wähler).
Herr Widmaier, Thema Nummer eins ist die Verkehrsbelastung in der
Innenstadt. Wie kann man zu schnellen Lösungen kommen?
Wir brauchen eine "grüne Welle" von der Feuerbacher Straße
bis zur Geze-Kreuzung. Damit können wir den Verkehr deutlich flüssiger
machen.
Damit hängen Sie aber die Busse ab.
Nein. Die Bevorberechtigung der Busse muss in die "grüne
Welle" integriert werden, damit diese ihre Taktzeiten einhalten können.
Die Ampeln müssen also umprogrammiert werden. Geht das einfach so per
Knopfdruck?
Nein. Dafür brauchen wir wohl eine komplett neue Software. Wir werden
beantragen, dass im kommenden Haushalt dafür entsprechende Gelder
bereitgestellt werden.
Geld für die "grüne Welle" und mehr nicht?
Das Leo-Ticket, also eine günstige Fahrkarte für das Stadtgebiet, wäre
natürlich begrüßenswert. Aber das können wir nicht im Zuge des
Verkehrsverbund-Tarifes machen, sondern müssten eine
Leonberg-spezifische Lösung finden. Die kostet Geld.
Geld, das durch eine City-Maut hereingeholt werden könnte.
Ich denke nicht. So etwas wird nur in echten Großstädten
funktionieren, wie in London zum Beispiel. Aber mit einer konsequenten
Bewirtschaftung des Parkraumes könnten wir Gelder für zweckgebundene
Verkehrsprojekte einnehmen. Dann müssten die Parkplätze natürlich
regelmäßig kontrolliert werden, sonst funktioniert es nicht.
Die SPD regt an, ein Durchfahrtsverbot für Lastwagen zu erlassen.
Wenn das den Durchgangsverkehr betrifft und nicht die Zulieferungen,
sind wir sehr einverstanden. Stuttgart macht das. Warum nicht also auch
wir?
Wenn das alles wahr werden würde, dann brauchen wir gar keinen Tunnel.
Die Grobplanung muss weitergehen. Wir müssen Zahlen haben, damit wir
Zuschüsse beantragen können. Ich halte es für realistisch, dass es in
zehn Jahren so weit ist. Das ist aber meine persönliche Meinung, nicht
die der gesamten Fraktion.
Es gibt sehr viele Proteste gegen das Vorhaben . . .
. . . die stark von Eigeninteresse geprägt sind. Das gleicht fast einer
Mobilmachung.
Trotzdem hat sich der Gemeinderat klar für die Weiterplanung des
Tunnels ausgesprochen.
Das spricht für eine positive Entwicklung im Gemeinderat. Wir lassen
uns nicht von Interessengruppen einschüchtern. Eines ist klar: Die seit
Jahrzehnten lärmgeplagten Altstadtanwohner stellen die schweigende
Mehrheit. Jeder muss sich darüber bewusst sein, dass er, wenn er den
Autoschlüssel umdreht, zur Verkehrsbelastung mit beiträgt.
Die Altstadtbewohner haben sich im Gegensatz zu der
Gartenstadtinitiative kaum geäußert.
Umso wichtiger ist es, dass der Gemeinderat die Interessen der
Gesamtstadt im Auge hat. Ich lasse durch Vertreter von Einzelgruppen
keinen Druck auf mich ausüben. Und ich habe den Eindruck, dass das
viele Ratskollegen ähnlich sehen.
Auch in Haushaltsfragen herrschte zuletzt recht große Einigkeit.
Ich hoffe, dass das so bleibt. Die Position der Freien Wähler ist
allerdings unverrückbar: Ohne die Tilgung von Schulden werden wir
keinen Haushalt passieren lassen.
Wie viel muss gespart werden?
Wenn wir mehr als vier Millionen Euro im Jahr schaffen, dann hätten wir
in zwei Jahrzehnten unseren Schuldenberg abgebaut.
Ist das realistisch, gerade angesichts der anstehenden Neugestaltung des
Stadtzentrums?
Irgendwann muss man einfach was machen, sonst klappt es nie. Und der
Stadtumbau wird nicht von heute auf morgen umgesetzt.
Erst einmal abwarten?
Nein. Direkt nach der Sommerpause werden wir einen Architektenwettbewerb
ausschreiben. Und wenn wir einen Investor gefunden haben, kann es
losgehen. In einem Jahr sind wir schon weiter.
Was ist für Sie wichtig beim Stadtumbau?
Es ist wünschenswert, dass die Eltinger Straße zu einer Allee umgebaut
wird. Und zwar so, dass die Fahrradwege klar abgetrennt sind. Fußgänger
und Radler sollten hier den Vorrang genießen.
Bietet der Stadtumbau auch Chancen für neue Wohngebiete?
Eigentlich nur im Bereich des Reiterstadions und des Marktplatzes
Steinstraße daneben. Das darf aber keinesfalls zur Konsequenz haben,
dass der Pferdemarkt aus der Innenstadt verlagert wird. Sonst stirbt er
langsam. Platz für neue Häuser gäbe es natürlich, wenn das Hallenbad
abgerissen würde.
Ist denn damit zu rechnen?
Wir müssen überlegen, ob ein zentrales Allwetterbad im Bereich des
jetzigen Leobades nicht die kostengünstigere Lösung ist.
Und damit ist der noch offene Wohnraum in Leonberg ausgereizt?
Nein. Denken Sie an das Gebiet Ezach 3 mit rund 250 Wohnungen, das wir
gerade beschlossen haben. Außerdem gibt es Flächen in Gebersheim, Höfingen
und Warmbronn.
Brauchen wir mehr Gewerbeflächen?
Wir haben Probleme durch unsere topografische Lage. Im Hertich gibt es
noch Potenziale, in den Riedwiesen aus ökologischer Sicht nicht mehr.
In unmittelbarer Nachbarschaft, etwa in Rutesheim oder Renningen, wird
aufgerüstet. Und Leonberg macht nichts?
Dass jede Gemeinde versucht, möglichst viele Betriebe anzusiedeln, ist
doch klar. Aber Leonberg mit all seinen weichen Standortfaktoren und der
Funktion als Mittelzentrum ist doch hochinteressant für Firmen. Wenn
wir unsere Verkehrsprobleme in den Griff bekommen, sind wir ein sehr
attraktiver Standort.
Nennen Sie drei Vorteile und drei Nachteile Leonbergs.
Wir haben vielfältige Einkaufsmöglichkeiten, und die sind fast alle fußläufig
erreichbar. Auch die Nahversorgung in den Stadtteilen ist sehr gut. Wir
haben alle Schulsorten und ein attraktives Bad. Das sind übrigens auch
weiche Standortfaktoren. Wir sind eine Stadt mit einer überschaubaren
Größe. Und wir haben ein reges Vereinsleben mit viel ehrenamtlichem
Engagement. Das kommt auch in den politischen Initiativen zum Ausdruck.
Als Nachteil fällt mir nur das hohe Verkehrsaufkommen mit den damit
einhergehenden Feinstaub-, Abgas- und Lärmbelastungen ein.
Wie wird Leonberg in 25 Jahren aussehen?
Wir werden uns in der Endphase des Stadtumbaus befinden und eine Lösung
für unsere innerstädtischen Verkehrsprobleme gefunden haben. Dies
nicht nur durch eigene Schritte, sondern auch durch eine dann deutlich
umweltfreundlichere Technik.
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