45 Millionen Euro
- und die Stadt hat ihren Tunnel
Experten: In nur dreieinhalb Jahren könnte eine unterirdische
Verkehrsführung mit zwei Kreiseln vollendet sein
Leonberg. Rund 45 Millionen Euro würde ein Tunnel unter der Altstadt
kosten. Die Bauzeit betrüge 42 Monate. Ob das Großprojekt jemals
realisiert wird, ist vor allem eine Frage des Geldes.
Von Thomas K. Slotwinski
Fast waren sie schon in Vergessenheit geraten - die engagierten
Diskussionen um einen Altstadttunnel, mit dem ein innerstädtischer
Verkehrsinfarkt vermieden werden soll. Im Juli 2007 hatte der
Gemeinderat beschlossen, für Leonberg ein neues Verkehrskonzept zu
erarbeiten und dabei die Möglichkeit eines Tunnels ausdrücklich mit
einbezogen.
Die Mitarbeiter im städtischen Baudezernat sind seitdem nicht
untätig geblieben. Sie beauftragten Tunnelspezialisten mit einer
Machbarkeitsstudie und das Ludwigsburger Planungsbüro Kölz mit einer
Verkehrsanalyse. Denn gerade die Frage, wo die Röhre auf westlicher
Seite enden könnte, hatte im vergangenen Sommer für heftige
Diskussionen gesorgt. Schon damals hatte sich Planer Gunter Kölz für
einen Ausgang in Höhe Mühlstraße ausgesprochen. Diese Erkenntnis
bekräftigte er jetzt im Planungsausschuss, dem Fachgremium für
Baufragen, mit Nachdruck.
Besonders umstritten: die Clausenmühle müsste einem dem Tunnelmund
vorgelagerten Kreisverkehr weichen. Die Planer haben zwar auch ein
Modell für eine Umfahrung der Mühle entwickelt. Doch die bezeichnete
Kölz vor den Stadträten als "höchst problematisch". Nur als Brücke
möglich, führte sie zu "einer erheblichen visuellen und funktionalen
Beeinträchtigung des Glemstales". Die Clausenmühle könne zwar stehen
bleiben, sei dann aber von Straßen umringt. Kölz: "Wir können Ihnen
wirklich nichts empfehlen, was die Clausenmühle erhalten soll."
Der Experte sprach sich vehement für einen zweispurigen Kreisverkehr
mit fünf Armen aus, der die Autos vom Tunnel in Richtung Zentrum,
Rutesheim, Bahnhof und in das Gewerbegebiet Mühlstraße verteilen
kann. Für Radler und Fußgänger gäbe es einen "konfliktfreien" Weg
über dem Tunnel.
Noch spannender war der Auftritt von Bettina Wittke-Schmidt und
Achim Bechert. Beide stehen international operierenden
Ingenieurbüros vor und haben sich für das Leonberger Projekt zu
einer Planungsgemeinschaft zusammengetan. Ihr Fazit: der Tunnel ist
machbar, sogar relativ schnell. Aber mit 45 Millionen Euro wird er
auch teuer. Eine Prognose, die die Fachleute anhand des heutigen
Preisniveaus erstellt haben.
Bettina Wittke-Schmidt, deren Unternehmen gerade ein Staudammprojekt
in Mexiko begleitet, geht von einer Gesamtlänge von 900 Metern aus,
wobei die eigentliche Röhre 821 Meter lang wäre. Auch am anderen
Ende, östlich des Haldengebiets, ist ein Kreisverkehr vorgesehen,
der den Verkehr in die Innenstadt, nach Höfingen und nach Ditzingen
lenkt. Die Ingenieure haben eine Zufahrt zur Altstadt-Tiefgarage
eingeplant. Der Tunnel hat von Ost nach West eine gleichbleibende
Neigung von zwei Prozent.
Den Stadträten war das Erstaunen angesichts dieser Zahlen deutlich
anzumerken. Nicht nur der SPD-Fraktionschef Jürgen Stolle dachte
laut darüber nach, ob solch ein Mega-Projekt wirklich nötig sei.
Heinz Blume und Kurt Vestner von der CDU sprachen sich explizit
gegen einen Tunnel aus. Sie halten eine Westumfahrung der Innenstadt
bei Höfingen für ausreichend, liegen mit dieser Ansicht aber nicht
auf Fraktionslinie.
Auch der Grüne Bernd Murschel meinte, dass man erst einmal mit
anderen Mitteln für eine Verkehrsentlastung im Zentrum sorgen
sollte. Was wiederum Dieter Vestner auf die Palme brachte: "Da ist
er wieder, der Leonberger Trott", zürnte der Freie Wähler. "Wir sind
unsere eigenen Bremser." Und Inge Horn stellte klar, dass "keine
andere Variante einen solchen Entlastungseffekt bringt, wie der
Altstadttunnel". Wenn der Gemeinderat jetzt das Vorhaben ablehne,
dann habe die Stadt auch keine Handhabe, um nach Fördermitteln im
großen Umfang zu fragen, warnte die Baubürgermeisterin. Siehe
Blickwinkel
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