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Stuttgart 21 und Bahnlärm in Leonberg Verfasser:
Ewald Thoma Spinnen
die BiGG’ler nun vollends, wird sich bei dieser Überschrift mancher
Leser fragen. Was hat Stuttgart 21 mit dem Leonberger Bahnverkehr zu tun
? Auf den ersten Blick natürlich nichts. Aber auf den zweiten Blick
vielleicht doch - und das kommt so: Die Geschichte beginnt sehr weit in der Vergangenheit, Anfang der 80-er Jahre. Bis dahin war die Bahnwelt in Leonberg noch in Ordnung. Das folgende Bild zeigt dies. Zwischen Kornwestheim und Sindelfingen fuhren die sogenannten Daimlerzüge. Nachts war Ruhe. Dann wurde im Zuge der Einrichtung der S-Bahn der Stuttgarter S-Bahn-Tunnel gebaut. Während der Bauzeit war die Gäubahnstrecke zwischen dem Hauptbahnhof und Vaihingen teilweise nur eingleisig befahrbar, daher kam die Bahn auf die Idee, den Güterzugverkehr über Leonberg und Renningen nach Böblingen umzuleiten. Den Bahnanliegern wurde dies damit schmackhaft gemacht, dass dies nur temporär während der Bauzeit so sein sollte und danach der Güterzugverkehr wieder zurückverlegt würde. Wie so oft kam es anders. Die Bahn dachte nicht mehr daran, den Güterzugverkehr zurückzuverlegen und erfand dafür auch Gründe. Die Gäubahn sei zu steil oder der Pragtunnel habe zu wenig Kapazität zum Beispiel. Und so kam es, dass nun nicht nur die Daimler-Züge, sondern auch die Fernzüge in Richtung Schweiz den Weg über Leonberg ständig benutzten, vor allem auch nachts. Die Stuttgarter am Killesberg hatten den nächtlichen Lärm los und die Anlieger zwischen Korntal und Böblingen hatten ihn dafür. Wie
jeder weiß, wollen nun die Stuttgarter ihren Bahnverkehr neu ordnen –
Stuttgart 21 wird das Ganze genannt. Es soll ein schöner neuer Bahnhof
her und ein schöner großer Tunnel zum Flughafen gebaut werden. In
diesen Tunnel sollen nun auch die noch auf der Gäubahnstrecke
verkehrenden Personenzüge in Richtung Singen verlegt werden. Für die
Bahn AG und die Stadt Stuttgart ist dies nun eine tolle Sache. Wie im
Internet nachzulesen ist, hat die Bahn AG bereits das Trassengelände an
die Stadt verkauft, für sehr viel Geld. Das Gesamtpaket, bestehend aus
80 ha am Hauptbahnhof und 40 ha Gäubahntrasse bringt die stolze Summe
von 424 Mio. €, d.h. die Gäubahntrasse alleine ca. 1/3, also ca. 140
Mio. €. Die Stadt wird dann die entstehenden Grundstücke als Bauland
ausweisen und die Filetgrundstücke - zum Großteil in begehrter
Stuttgarter Halbhöhenlage - mit Gewinn weiterverkaufen, macht also auch
noch einen schönen Gewinn. Da passte es der Bahn AG ganz hervorragend ins Konzept, dass der Landkreis Böblingen schon seit langem gerne die beiden großen städtischen Zentren Leonberg und Böblingen/Sindelfingen mit einer S-Bahn verbinden wollte. Die S 60 war geboren. Eine tolle Sache für die Bürger, keine Frage. Aber auch eine tolle Sache für die langfristig denkende Bahn AG. Denn im Rückenwind des sehr positiv besetzten Themas ’S-Bahn’ bietet sich ihr nun die Möglichkeit, das bisher eingleisige Nadelöhr zwischen Renningen und Böblingen ohne Widerstände der Bevölkerung zu beseitigen. Eine
schöne 2-gleisige Strecke soll nun entstehen –selbstverständlich nur
um einen guten S-Bahn-Service zu ermöglichen, aber selbstverständlich
sollen darauf nun auch die Güterzüge rattern – und zwar dauerhaft.
Die Gäubahnstrecke ist ja verscherbelt und vielleicht kann man die
freien Kapazitäten auch noch ganz gut gebrauchen, dann nämlich, wenn
der Gotthard-Basis-Tunnel fertig ist. Vor diesem Hintergrund sind die
ca. 50 Mio. € Baukostenanteil des Bundes (gleichzeitig Eigner der Bahn
AG) überhaupt kein Problem, schließlich bleibt durch den Grundstücksverkauf
immer noch ein schöner Betrag übrig (s.o.). Die Investitionskosten für
den Streckenausbau betragen insgesamt ca. 82 Mio. €. Einzig
der Landkreis und seine Bürger haben ein Problem. Der Landkreis muss
trotz klammer Kasse natürlich auch sein Scherflein beisteuern (15% der
Investitionskosten, und –was ihn noch viel mehr drückt, 50 % des
Betriebsdefizits der S-Bahn – voraussichtlich knapp 2 Mio. € jährlich).
Über die Kreisumlage ist natürlich auch die Stadt Leonberg finanziell
dabei. Wir Bahnanlieger wiederum müssen nun für immer den Lärm
ertragen, ganz besonders diejenigen, die das Pech haben, an dem
Streckenteil zu liegen, der baulich nicht verändert wird. Denn dort
braucht die Bahn nicht einmal Lärmschutz anzubringen – im Gegensatz
zu den Anliegern zwischen Renningen und Böblingen. Dort müssen die
strengen Lärmschutzrichtlinien für Neubaustecken eingehalten werden.
Immerhin 15 Mio. € sind dafür vorgesehen. Davon können wir in
Leonberg nur träumen. Für uns ist kein einziger müder Euro übrig. Seit
einigen Tagen wissen wir nun auch, dass wir Bahnanlieger auch noch die
Gelegenheit erhalten sollen, schon mal ein gewisses ‚Bahn-Hauptstrecken-Feeling’
genießen zu dürfen. In einer Vorlage zu Regionalversammlung wird schon
einmal angekündigt, dass während
einer mindestens viermonatigen Bauphase innerhalb von Stuttgart
21 der gesamte Personenfernverkehr aus Richtung Zürich – Singen über
Leonberg umgeleitet werden soll. Ein Schelm, der Böses dabei denkt ....
Als
’Gegenleistung’ bekommen wir immerhin eine neue S-Bahn, das muss man
natürlich anerkennen. Aber: wäre die S-Bahn vielleicht nicht auch ohne
den zweigleisigen Ausbau möglich? Wie z.B. in der Karlsruher Region, wo
es von eingleisigen Strecken nur so wimmelt und trotzdem der
S-Bahn-Service so gut ist, dass die Autofahrer massenhaft auf die Bahn
umsteigen ? Klar, Güterzüge fahren auf diesen Strecken nicht – aber
diese müssten doch eigentlich auch bei uns nicht fahren. Die Gäubahn
hat doch jede Menge freie Kapazitäten, vor allem wenn die Personenzüge
nicht mehr fahren. Und die Killesberger wären doch eigentlich nun mal
wieder dran, nachdem wir nun 20 Jahre lang den Lärm ertragen haben –
irgendwie wäre dies doch auch mehr als gerecht. Oder zumindest könnten
die Stuttgarter und die Bahn AG ein bisschen von ihrem Millionen-Gewinn
für Lärmschutzmaßnahmen an unserer Bahnstrecke locker machen. Damit
diese Geschichte nicht ganz so einseitig verläuft wie sich’s manche
in der Landeshauptstadt ausgedacht haben, haben wir auch bereits etwas
getan. Wir haben mit unseren Regionsvertretern gesprochen, mit unserem
Landrat Maier und unserem Regionalrat Noe und wir sind auf offene Ohren
gestoßen. Wir, das heißt unser Mitglied und Kreisrat Kurt Vestner, ich
selbst sowie Gerhard Schneider vom Bürgerverein Silberberg. Beratend
zur Seite stand uns Stadtrat und Verkehrsplaner Prof. Dr. Dieter
Maurmaier. Auch Staatssekretär Rückert war behilflich. Wir haben einen
Fragenkatalog
entworfen, der in die Gremien der Regionalversammlung eingebracht wurde. Vielleicht
hat’s auch schon ein bisschen gewirkt. Einer Beratungsunterlage des
Planungsausschusses der Region Stuttgart ist jedenfalls zu entnehmen,
dass die Region die Gäubahntrasse in Stuttgart keineswegs aufgeben will
– ganz im Gegenteil – sie soll ausdrücklich funktionsfähig
gehalten werden. Aber rechtlich entscheidend wird sein, was bei der
Planfeststellung raus kommt. Da wird die Bahn AG und die Stadt Stuttgart
mit Sicherheit Druck machen. Internet-Seite
des Regionalverbands Stuttgart: http://www.region-stuttgart.org Informationen
zu Gäubahn-Verwertung: |