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Stuttgarter
Zeitung Nr. 287
Mittwoch, 11.Dezember 2002 Streit wegen Pannen am Engelberg Minister
gegen Rechnungshof STUTTGART.
Der Bau des Engelbergtunnels birgt weiter Zündstoff.
Entgegen der Darstellung des Landesverkehrsministers Müller
bleibt der Bundesrechnungshof bei seinen Vorwürfen gegen das Landesamt
für Straßenwesen. Es droht eine Schadenersatzforderung. Von
Michael Ohnewald und Achim Wörner Kaum
war ein Bericht der Stuttgarter Zeitung über ein internes Papier des
Bundesrechnungshofs am Montagabend von der Deutschen Presse-Agentur
verbreitet worden, da dementierte das Landesverkehrsministerium heftig.
"Die Sache ist längst erledigt", ließ Minister Ulrich
Müller (CDU) erklären - und bekräftigte diese Aussage gestern Morgen
vor der versammelten Mannschaft der Lan-desjournalisten.
Der Bundesrechnungshof habe im November bei einer Unterredung in
Stuttgart versichert, er werde auf einen entsprechenden Vermerk in den
Akten verzichten. Somit
gebe es überhaupt keinen Grund für einen Regress oder eine Klage. Von
wegen, konterte daraufhin der Bun-desrechnungshof in Person seines
Sprechers Joachim Romers. Die
Behörde, die Ausgaben kritisch unter die Lupe nimmt und die korrekte
Verwendung von Steuergeldern prüft, bleibe bei ihrer Sicht der Dinge.
"Der Bundesrechnungshof hat sorgfältig geprüft."Die
Vorwürfe wurden in vollem Umfang aufrechterhalten.
"Von einer Vereinbarung mit dem Land kann keine Rede
sein", sagte Romers. "Die
Entscheidung steht noch aus." Worum es geht, ist nachzulesen in
einem internen Bericht des Bundesrechnungshofs an das Ministerium für
Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg von Ende September, Aktenzeichen
V4-2000-0250/Stg. Der Bau
des vor drei Jahren eröffneten Engelbergbasistunnels an der Autobahn 81
bei Leonberg im Kreis Böblingen sei "nicht mit der gebotenen
Sorgfalt" vorbereitet worden, heißt es in dem brisanten Papier.
Insbesondere kritisieren die Prüfer vom Bundesrechnungshof: >
Veraltete Verkehrsprognosen: Für
die Dimensionierung des Autobahndreiecks Leonberg sei eine veraltete
Verkehrsprognose aus den 70er Jahren zu Grunde gelegt worden.
Die Verbindungsrampe in Richtung München sei mit zwei Spuren
deshalb bereits jetzt wieder ein Engpass.
Dem widerspricht Reinhold Junginger vom Landesamt für Straßenwesen,
unter dessen Regie der Tunnel gebaut worden ist. Junginger beruft sich
auf die parallel geplante B 464, die im kritischen Bereich künftig
einigen Verkehr aufnehmen und somit zu einer Entlastung der A81 führen
soll. Da aber hat der
Rechnungshof Zweifel: Die Entlastungswirkung werde durch die insgesamt
zu erwartende Zunahme des Verkehrs kompensiert, heißt es. Nach Ansicht
von Junginger wäre es unabhängig davon
mit relativ geringem Aufwand möglich (Kostenpunkt: rund 100 000 Euro),
an der Engstelle nach dem Tunnel in Richtung München eine dritte
Fahrbahn auszuweisen. >
Schlampige Ausschreibung: Der
Untergrund im Bereich des Engelbergtunnels gilt als schwierig.
Schuld ist angeblich der Gipskeuper, der beim Eindringen von
Grundwasser zum Aufquellen neigt. Vor
diesem Hintergrund hätten die an Baufirmen zu vergebenden Aufträge
viel präziser beschrieben werden müssen.
So seien viele Leistungen nachträglich geltend gemacht worden,
was mit zu der Kostenexplosion von 637 auf rund 900 Millionen Mark geführt
habe. >
Großzügige Honorierung: Der
mit der Bauüberwachung beauftragte Projektsteuerer habe
Verwaltungsaufgaben übernommen, die vom Landesamt hätten erledigt
werden können. Insofern
habe der Unternehmer 11,3 Millionen Mark an Honorar erhalten -
"ohne dafür die entsprechenden Leistungen zu erbringen", wie
es im Prüfbericht heißt. Forderung
deshalb: Der Bund als Finanzier des Engelbergtunnels solle diesen Betrag
vom Land zurückfordern - was nun Streit zwischen den Beteiligten auslöst.
Wie Junginger erklärt, vertritt der Bundesrechnungshof "die
irrige Meinung", es sei ein Generalunternehmer pauschal entlohnt
worden. Wenn
der Bundesrechnungshof in seinem Abschlussbericht bei den Vorwürfen
bleibt, droht dem Land eine Schadenersatzforderung in Millionenhöhe.
Der Bund werde sich, so ein Ministerialbeamter in Berlin, die
Finanzspritze aus Baden-Württemberg dann jedenfalls kaum entgehen
lassen. |