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Zur
Stadtentwicklungsplanung: Hohe
Schadstoffbelastung im Stadtgebiet Leonberg Verfasser:
Ewald Thoma Wie bereits mehrfach
berichtet, werden seit dem Sommer letzten Jahres im Stadtgebiet
Schadstoffmessungen gemäß der 23. Bundesimmissionsschutzverordnung
(23. BImSchV) vorgenommen. Auftraggeberin ist die Stadt Leonberg. Die
Messungen werden von der UMEG in Karlsruhe durchgeführt. Die UMEG ist
eine Einrichtung des Landes Baden-Württemberg. Messorte sind die
Gebersheimer-Straße, die Friedhofstrasse und der Neuköllner-Platz. Vom
Land selbst wird parallel mit gleicher Methodik weiterhin in der
Grabenstraße gemessen. Das Messprogramm ist nach einem Jahr inzwischen abgeschlossen. Der Bericht der UMEG liegt in einer vorläufigen Fassung vor. Der Planungsauschuß des Gemeinderats hat sich am 18.7.02 mit den Ergebnissen befasst. Erfreulicherweise ist das Interesse an den Messergebnissen bei vielen Gemeinderäten größer geworden. Immerhin lagen sogar neben der Anfrage des Agenda-Forums auch Anfragen mehrerer Fraktionen vor. Entscheidungen wurden bisher jedoch noch nicht getroffen. Aufgrund der Schwierigkeit der Materie sind noch weitere Beratungen notwendig. Die Fraktionen des Gemeinderats wollen sich jedoch zeitnah mit dem Thema befassen, so daß noch im Herbst damit zu rechnen ist, daß das Thema in den Gemeinderat geht. Auch die lokale Presse hat das Thema wieder aufgegriffen, so daß wir nun hoffen, daß endlich wieder Bewegung in die Sache kommt. Insbesondere sollten
die Meßergebnisse Eingang in die bevorstehende Stadtentwicklungsplanung
finden. Sie geben wichtige Hinweise, wo die Belastungsprobleme im
Stadtgebiet von Leonberg tatsächlich liegen und tragen somit dazu bei,
daß mit gezielten planerischen Maßnahmen Verbesserungen für die
betroffenen Bürger erreicht werden können. Wie
ist der derzeitige Stand ? Die
UMEG hat sich bei ihrem Bericht streng an die 23. BImSchV gehalten, da
der Auftrag der Stadt so lautete. Problem dabei: Diese Verordnung ist de
facto inzwischen veraltet. Im Zuge der Umsetzung entsprechender
EU-Richtlinien wird diese Verordnung weitgehend durch eine neu gefasste
22. BImSchV bzw. eine Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes
ersetzt. Erfreulich aus unserer Sicht: Die Grenzwerte werden dadurch
deutlich strenger und - was noch wichtiger ist - es werden Maßnahmen
vorgeschrieben - u.a. auch Verkehrsbeschränkungen- , wenn diese
Grenzwerte überschritten werden. Was
galt bisher und wie sehen die Messwerte aus ? Die 23. BImSchV ist
speziell auf die Untersuchung der Schadstoffbelastung durch den Straßenverkehr
ausgerichtet. Daher werden folgende Schadstoffe und Grenzwerte (in der
Verordnung Prüfwerte genannt) berücksichtigt: - Stickstoffdioxid (NO2); 98% Wert (Maß für die Kurzzeitbelastung); errechnet aus den Jahresmittelwerten; Formel: Jahresmittelwert multipliziert mit dem Faktor 2,2 - Ruß; Jahresmittelwert - Benzol; Jahresmittelwert Alle Messungen sind
auf ein gesamtes Jahr bezogen. Die vorläufigen Messergebnisse berücksichtigen
zunächst nur 11 Monate. Der 12. Monat war zum Zeitpunkt des Berichts
noch nicht ausgewertet. Wesentliche Abweichungen sind jedoch
erfahrungsgemäß unwahrscheinlich. Die Ergebnisse sind wie folgt
(Angaben in μg/cbm), Überschreitungen des Prüfwerts (Grenzwerts)
sind fettgedruckt.:
Die längste 'Messhistorie' gibt es in der Grabenstrasse. Die bisherigen Ergebnisse sind zusammen mit den neuen Messungen in der folgenden Tabelle dargestellt:
Wie
ist dies zu bewerten ? NO2 Die NO2-Werte sind
nach wie vor sehr hoch. In der Grabenstraße sind sie sogar wieder
deutlich angestiegen und haben zum ersten mal den Prüfwert überschritten.
Auch in der Gebersheimer- Straße gibt es Grund zur Sorge. Der Wert dort
ist immerhin so hoch wie in der Grabenstraße im Jahre 1999/00 und liegt
nur unwesentlich unter dem Prüfwert. Die folgende Grafik der Messwerte in der Grabenstraße verdeutlicht, daß das NO2 offensichtlich in den letzten Jahren in Leonberg nicht zurückgeht.
Ruß Der Rußwert in der
Grabenstrasse ist zwar deutlich zurückgegangen, liegt aber immer noch
über dem Grenzwert. Der Rückgang konnte bisher nicht vollständig erklärt
werden. Möglicherweise spielt die bauliche Veränderung in der Nähe
der Meßstelle eine Rolle, möglich ist auch, daß der inzwischen
schwefelärmere Kraftstoff eine Rolle spielt, da solche Rückgänge auch
in anderen Städten beobachtet wurden. In der Gebersheimer-Straße liegt
der Wert zwar unter dem Grenzwert, aber nicht sehr weit davon entfernt. Benzol Beim Benzol sind die
ganz hohen Werte von früher inzwischen erfreulicherweise nicht mehr
vorhanden. Dies ist dadurch erklärbar, daß der Kraftstoff inzwischen
benzolärmer ist, allerdings erwarten die Fachleute hier keine weitere
Reduktion mehr. Was
sagt dazu die neue Gesetzgebung ? Die Beurteilung der
Schadstoffbelastung nach der 23. BImSchV ist inzwischen veraltet. Im
Zuge der Umsetzung entsprechender EU-Richtlinien wird diese Verordnung
weitgehend durch eine neu gefasste 22. BImSchV bzw. eine Änderung des
Bundesimmissionsschutzgesetzes ersetzt.
Dadurch sind die Messwerte in Leonberg
nun unter einem anderen Blickwinkel zu sehen. Die nach der 23.
BImSchV vorgesehenen Werte sind nicht unmittelbar mit den Werten der
neuen Regelungen vergleichbar. Die wesentlichen neuen Grenzwerte lauten
folgendermaßen: - NO2: - Ruß /PM10 - Benzol: Für NO2 und Benzol
gelten diese Werte ab 2010, für PM 10 ab 2005. Ab 2001 müssen jedoch
schon sogenannte Toleranzmargen eingehalten werden, d.h. Die Werte dürfen
zunächst noch etwas höher liegen, müssen
aber Jahr für Jahr reduziert werden bis
sie das Ziel erreicht haben. Die Messungen der
UMEG sind für Jahresmittelwerte von NO2 und Benzol direkt übernehmbar.
Für PM10 kann man die in Fachkreisen übliche Faustregel anwenden, daß
die PM10-Konzentration etwa 5 bis 6 mal höher ist als die Rußkonzentration.
Die folgende Tabelle zeigt die entsprechend umgerechneten Werte:
Die folgende Grafik
setzt diese Meßergebnisse in Bezug zu den Grenzwerten der neuen
Verordnung und gibt somit einen guten Gesamtüberblick. Dabei sind die
jeweiligen Grenzwerte der Jahresmittelwerte
mit 100% angesetzt. Sie stellt das prozentuale Verhältnis der
gemessenen Werte dar und gibt so einen guten Eindruck von der Situation
an den Leonberger Straßen. Für PM10 wurde dabei der Wert für Ruß mit
dem Faktor 5,5 multipliziert. Die
Grafik zeigt deutlich die Wirkung der verschärften Grenzwerte. So
werden in der Grabenstraße alle Grenzwerte überschritten.
Besonders gravierend zeigt sich die Verschärfung bei der NO2-
Belastung. War nach der 23. BImSchV der Prüfwert in der Grabenstraße für
NO2 nur leicht überschritten, so ist nun eine Überschreitung des
Grenzwerts um nahezu 100 % vorhanden. Auch der Benzol- Grenzwert ist nun
wieder überschritten. Es ist
nun klar ersichtlich, daß es im
gesamten Stadtgebiet von Leonberg vor allem mit den neuen Grenzwerten für
NO2 erhebliche Probleme
geben wird. Der neue Grenzwert für den Jahresmittelwert von 40
μg/cbm wird an allen 4 Messstellen in Leonberg deutlich überschritten.
Auch die in diesem Jahr gültige Toleranzmarge von 58 μg/cbm wird
im Jahre 2002 an 3 Messstellen überschritten (Friedhofstrasse ist mit
57 μg/cbm ganz knapp drunter).
Es ist zu vermuten, daß auch der neue Kurzeitwert von 200 μg/cbm,
der nur maximal 18 Stunden pro Jahr überschritten
werden darf, in Leonberg ein Problem darstellt. An der Meßstation
am Leobad wurde z.B. im Juni dieses Jahres dieser Grenzwert über längere
Zeit überschritten. Der Spitzenwert lag bei 235 μg/cbm. Die hohe
NO2-Belastung wird in Leonberg zu weit mehr als 90% durch den Verkehr
verursacht. Leider sind die
technischen Möglichkeiten zur Reduktion von NO2 inzwischen nahezu
vollständig ausgereizt (nahezu jedes Auto hat inzwischen einen
Katalysator), so daß eine wirkungsvolle Reduktion nur durch Reduktion
des Verkehrsaufkommens möglich ist.
Auch bei den PM10- Werten sind Probleme zu erwarten, da nicht nur der Jahresmittelwert berücksichtigt werden muß, sondern auch der Tagesmittelwert von 50 μg/cbm nur maximal an 35 Tagen überschritten werden darf. Während der Jahresmittelwert vermutlich eingehalten werden kann, ist der Grenzwert für den Tagesmittelwert im Stadtgebiet von Leonberg vermutlich problematisch. Grund: In Leonberg gibt es häufig austauscharme Wetterlagen, welche zusammen mit der schwierigen Topografie die tageweise Anreicherung von Schadstoffen an bestimmten Stellen des Stadtgebiets begünstigt. Bei Benzol besteht am ehesten noch die Chance, daß die Grenzwerte dauerhaft unterschritten werden könnten. Allerdings sind Benzol und Ruß bzw. PM10 nachweislich krebserregend. Jeder Grenzwert ist daher bei solchen Stoffen in Expertenkreisen umstritten. Viele Experten sind der Meinung, daß auch die neuen Grenzwerte der EU zu hoch seien, so daß die in Leonberg auftretenden Schadstoffkonzentrationen bei diesen Stoffen ein ständiges Risikopotential darstellen. So liegen z.B. die Beurteilungsmaßstäbe des LAI für Ruß bei 1,5 μg/cbm, für Benzol bei 2,5 μg/cbm.
Vor
diesem Hintergrund ist es nun zwingend geboten, daß der Leonberger
Gemeinderat handelt.
Wir brauchen endlich ein Konzept, wie wir die
Schadstoffkonzentrationen im Stadtgebiet nachhaltig senken können. Wir
hoffen nicht, daß wir erst mit der Knute des Gesetzes drohen müssen,
um Fortschritte auf diesem Gebiet zu erreichen. Was
bedeutet dies für die Stadtentwicklungsplanung ? Die hohen Schadstoffkonzentrationen in der Grabenstraße stellen aufgrund der schon seit Jahren durchgeführten Messungen keine Überraschung dar. Sie sind durch die bekannten hohen Verkehrsbelastungen an dieser Straße und die bauliche und topografische Lage erklärbar. Bemerkenswert ist jedoch die hohe Belastung der Gebersheimer-Straße. Sie liegt bei NO2 und bei PM10/Ruß deutlich über der Belastung des Neuköllner Platzes, bei Benzol in gleicher Höhe. Die Friedhofstraße wiederum liegt nahezu gleichauf mit dem Neuköllner Platz. Dies macht eine
bisherige Vermutung zur Gewissheit: Nach den Anliegern der Grabenstraße
sind die Anlieger der Gebersheimer- Straße in Leonberg am höchsten mit
Schadstoffen belastet. Die Gebersheimer Straße steht gewissermaßen
beispielhaft für die Tatsache, daß in Leonberg vor allem einige reine
Wohngebiete vergleichsweise hoch belastet sind. Dadurch sind die bisher
in Leonberg diskutierten Verkehrsdiskussionen völlig neu zu bewerten. So
ist z.B. die starke Präferenz der Entlastung der Neuen Stadtmitte bei
den von der Verwaltung bisher vorgelegten Konzepten nicht
gerechtfertigt. Es ist vielmehr dringend geboten, darüber nachzudenken,
wie die Schadstoffkonzentrationen in den reinen Wohngebieten gesenkt
werden kann. Zu beachten ist dabei, daß einzelnen Wohngebieten
durch bereits konkrete Baumaßnahmen und Planungen weitere Belastungen
drohen. Beispiele dazu:
Nordumfahrung Rutesheim , der groß ausgebauten Westanschluß, die ab
Oktober gut ausgebaute Kreisstraße in Gebersheim und Höfingen, die
Autobahnmaut, welche LKW-Verkehr in das Stadtgebiet ziehen wird usw. Vor diesem
Hintergrund ist es daher
geboten, den Verkehrsentwicklungsplan neu zu diskutieren. Die reinen
Wohngebiete benötigen eine Perspektive für eine spürbare
Verkehrsentlastung. Eine neue Chance für eine Korrektur in diesem Sinne
ist die anstehende Stadtentwicklungsplanung. Bei dieser Planung müssen
die tatsächlichen Belastungsverhältnisse in Leonberg Berücksichtigung
finden. Übrigens:
Die Belastung durch
Luftschadstoffe ist gleichzeitig auch ein starkes Indiz für eine
entsprechende Lärmbelastung. Leonberg ist nicht nur Gewerbestandort
sondern auch Wohnstandort. Der Einkommensteueranteil ist inzwischen mit
Abstand die höchste Steuerquelle der Gemeinde. Die Höhe dieses Anteils
ist u.a. davon abhängig, wie viele Bürger überdurchschnittliche
Einkommensteuerzahler sind. Insofern ist der Schutz der Wohngebiete auch
ein Beitrag zu nachhaltigen Absicherung dieser für die Stadt äußerst
wichtigen Einnahmequelle. Und:
Immissionsminderung ist auch ein sehr wichtiger Beitrag zum Klima- und
Hochwasserschutz und somit brandaktuell ! Und
noch etwas: Die Messwerte der
UMEG-Messtation am Leobad sind jederzeit über Internet abrufbar. (Für
Interessierte: die Werte sind über die Homepage der Lokalen Agenda 21
zugänglich: www.agenda21-leonberg.de;
dort auch weitere interessante Informationen rund um Schadstoffe und Lärm). |