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Mehr Güterzuglärm in Leonberg ? 

„Als Zulaufstrecken zur neuen Alpentransversale fordern wir auch die weitere Ertüchtigung

der Gäubahn und der Südbahn für den wachsenden internationalen Transitverkehr.“ 

Dieser Satz in der Koalitionsvereinbarung der neuen Landesregierung wurde in Leonberg aufmerksam und mit einer gewissen Besorgnis registriert. Der Grund liegt darin, dass bei Realisierung dieser Planung  eine deutliche Zunahme des Güterzugverkehrs in Leonberg anzunehmen ist. Grund: Der gesamte Güterzugverkehr der Gäubahn zwischen Stuttgart und Böblingen läuft seit den Siebziger Jahren nicht mehr über die eigentliche Gäubahnstrecke Stuttgart-West - Vaihingen (auch als Panoramastrecke bezeichnet) sondern über die Strecke Korntal – Leonberg - Renningen. Erst in Böblingen treffen die Güterzüge wieder auf die ’klassische’ Gäubahnstrecke in Richtung Horb und Singen.  

Für die Beurteilung der Auswirkungen des neuen Gotthardtunnels ist wichtig zu wissen, dass dieser vor allem deshalb gebaut wird, um den Gütertransitverkehr durch die Schweiz möglichst weitgehend auf die Schiene zu verlagern. Der Personenverkehr spielt dabei eine weniger wichtige Rolle. Speziell auf der Gäubahn wurde in den letzten Jahren der Personenfernverkehr in die Schweiz und nach Italien eher reduziert. Die in der Koalitionsvereinbarung genannte Ertüchtigung der Gäubahn macht daher nur dafür Sinn, den wachsenden internationalen Güterzugverkehr aufnehmen zu können. In Staatsverträgen mit der Schweiz wurden sogenannte Zulaufstrecken zu dem neuen Tunnel definiert, welche die Zubringerfunktion zu diesem Tunnel übernehmen sollen (Grundlage: Vertrag von Lugano). Dabei wurde als Hauptzulaufstrecke die Rheintalbahn von Karlsruhe über Basel festgelegt. Die Gäubahn soll bedarfsorientiert lediglich als regionale Zusatzstrecke dienen. Zu diesem Zweck soll die Rheintalstrecke bis Basel mit zwei zusätzlichen Gleisen ausgestattet werden. Von Karlsruhe bis Offenburg ist dieser Ausbau bereits erfolgt. Südlich von Offenburg stockt der Ausbau jedoch inzwischen – vermutlich aus Geldmangel, da der Ausbau sehr teuer ist. Es ist derzeit unklar, ob und wenn ja wann der Ausbau tatsächlich erfolgen wird. Vor diesem Hintergrund ist nicht auszuschließen, dass derzeit auch über billigere Alternativen nachgedacht wird. Eine solche Alternative könnte ein Ausbau der Gäubahn sein. Entsprechende Mittel sind im aktuellen Bundesverkehrswegeplan eingestellt. In Verhandlungen mit der Schweiz sind in der letzten Legislaturperiode von der Landesregierung die Detailplanungen vorangetrieben worden (siehe entsprechende Pressemitteilung).     

Zwar möchten wir ausdrücklich betonen, dass wir die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene begrüßen, schließlich leiden wir in Leonberg auch als unmittelbare Anlieger zweier stark befahrener Autobahnen an dem ungeheuer gewachsenen Güterverkehr auf den Autobahnen. Dabei müssen aber auch die Interessen der lärmgeplagten Bahnanlieger Berücksichtigung finden. Das Problem der Bahnanlieger ist in Leonberg nicht neu. Vor allem der starke nächtliche Güterzugverkehr stellt bereits heute eine erhebliche Lärmbelästigung der Bürger dar. Eine weitere Zunahme dieses Lärms ist daher den Bürgern nicht zumutbar.  

Anlässlich der Planungen zum Ausbau der Strecke von Renningen nach Böblingen als S-Bahn-Strecke haben sich Leonberger Bürgervereine, Stadtverwaltung und Gemeinderat bereits zu Wort gemeldet und Gespräche mit dem Kreis und der Region geführt. Zwar begrüßen wir in Leonberg uneingeschränkt dieses S-Bahn-Projekt, aber der nahezu durchgehende zweigleisige Ausbau erhöht implizit auch erheblich die möglichen Kapazitäten für den Güterzugverkehr. Insofern kann der Ausbau bereits de facto als eine wichtige Ertüchtigungsmaßnahme für die Gäubahnstrecke als Zulaufstrecke in die Schweiz angesehen werden. Sind die Kapazitäten einmal geschaffen, gibt es für den Betreiber der Strecke – die Bahn AG- kein Hindernis, diese Kapazitäten auch auszuschöpfen. Auch die Tatsache, dass der Streckenausbau mit kommunalen und staatlichen Nahverkehrsmitteln (Kreis, Region, Land und Bund) erfolgt, stellt kein Hindernis dar, so lange dies nicht in den Ausbauverträgen ausdrücklich und nachvollziehbar geregelt ist. Eine solche Regelung ist uns bisher nicht bekannt. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass wir mit unserer Kreis- und Regionsumlage eine Maßnahme mitfinanzieren, die nicht ausschließlich dem S-Bahn-Ausbau sondern auch dem Güterfernverkehr dient.  

Wir sind in Leonberg besonders sensibel, was Versprechungen der Bahn betrifft. Den Leonberger Bürgern wurde in den Siebziger Jahren die Verlagerung des Güterzugverkehrs von der Gäubahnstrecke auf die Strecke über Leonberg als temporäre Notwendigkeit während des S-Bahn-Baus in Stuttgart erklärt. Eine Rückverlagerung auf die alte Strecke wurde in Aussicht gestellt. Tatsächlich ist dies –wie wir inzwischen wissen- nicht geschehen und wohl auch nie beabsichtigt gewesen.

Leider haben wir als Bahnanlieger an einer Bestandsstrecke, welche baulich nicht verändert wird, keine unmittelbare rechtliche Handhabe, den dringend benötigten Lärmschutz einzufordern. Auch die Aussicht auf eine Rückverlagerung des Güterzugverkehrs auf die alte Strecke besteht inzwischen kaum noch, zumal die Trasse dieser Strecke im Stadtgebiet von Stuttgart im Zuge von Stuttgart 21 von der Bahn an die Stadt Stuttgart für viele Millionen Euro verkauft wurde und möglicherweise stillgelegt werden soll (bzw. als Baugelände verwertet werden soll).  

Allerdings besteht in Kürze aufgrund der notwendigen Umsetzung einer EU-Verordnung zum Lärmschutz die Möglichkeit, einen solchen Lärmschutz stärker einzufordern. Die entsprechenden Kriterien (Grenzwerte) sind auf dem Streckenabschnitt in Leonberg erfüllt. Dieser Streckenabschnitt ist inzwischen auch in eine Lärmsanierungsliste für bestehende Bahnstrecken aufgenommen worden – allerdings von der Priorität her relativ weit hinten in der Liste. Hier besteht sicherlich noch die Möglichkeit, durch entsprechenden Druck auf der Liste weiter nach oben zu rücken.  

Wir wünschen uns, dass alle kommunalpolitisch Verantwortlichen wie bisher weiterhin an einem Strang ziehen und die Bahnanlieger dabei zu unterstützen, möglichst rasch vor dem Güterzuglärm stärker geschützt zu werden.     

 

29.05.2006

Ewald Thoma

Schwabstrasse 22

71229 Leonberg

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